(Steuerfreimoney / Groove Attack)
An der Horner Corner in Ost-Hamburg passiert jeden Tag etwas. Homies lassen die Räder des Wagens ohne Nummernschild durchdrehen, an der Ecke raucht jemand einen vollgestopften Joint ohne Tabak und dazwischen steht TaiMo mit dem auffälligen T-Tattoo im Gesicht und rappt über alles, was er in seinem Kiez beobachtet. Ungefähr ein Jahr nach dem zu vollgepackten, zu umfangreichen Debütalbum macht der Nachfolger »Tai Till I Die« vieles richtig. Alles wirkt kompakter, scheint in eine Eastpack-Bauchtasche zu passen. Trotz ausgelassener Haltung und Humor ist immer wieder eine Ernsthaftigkeit spürbar, die dem jugendlichen Leichtsinn mit ein paar Sorgenfalten das Gesicht zerklüftet. Im Gegensatz zu seinen egomanischen Konkurrenten wirkt TaiMo trotz umfangreicher Frauenbekanntschaften und vollen Packs geerdet wie die Sneaker auf dem Hansestädter Asphalt. Bei der Beatauswahl kann er sich zwischen Westcoast- und Eastcoast-Sound der Neunziger nicht entscheiden, meistert aber spielerisch den Spagat zwischen beiden Küsten. »Tai Till I Die« ist ein auf die einfachsten Teile runtergebrochenes Real-Rap-Album. Es braucht keinen mehrteiligen Baukasten. Klatschende Drums treffen auf direkte, nie banale Texte, und die helle Stimme von TaiMo berichtet aus dem Mikrokosmos der Hamburger Reihenbauten. Alles greift schlüssig ineinander und hält wie eine dicke Metallkette. Dank einer Weiterentwicklung nach »Horner Corner« fällt die Spannungskurve auf der neuen Platte nie ins Bodenlose ab, auch weil Features wie JokA, Plusmacher und AchtVier sich zwar anpassen, aber ihre eigene Geschichte nach Hamburg-Horn mitbringen. Eine einfach Zeile wie »Herzlich Willkommen in der Welt voller Träume/Wo wir rappen, weil uns Mucke was bedeutet« hat sich selten so ehrlich angefühlt wie aus dem Mund des gesichtstätowierten Steuerfreimoney-Signings. Hamburg ist 2018 eine von Adrenalin durchzogene Macht auf der deutschen Rap-Landkarte. Einer der realsten Gründe dafür ist TaiMo.
Text: Arne Lehrke