Vor knapp einem Monat wurden in New York City die Grammys für die beste Musik 2017 verliehen. Auf der Nominierungsliste der Kategorien Rap und R’n’B fand man im Vorfeld die Namen üblicher Verdächtiger: Singvögelchen Bruno Mars, Rap Saviour Kendrick Lamar und die Dauergäste Jay-Z und Beyoncé. Über einen Namen stolpert man aber auch beim zweiten Hinschauen: GoldLink, straight outta Washington DC.
Und auch wenn D’Anthony Carlos am Ende ohne Trophäe nach Hause ging, war seine Nominierung doch etwas Besonderes. Während auf der anderen Seite des großen Teiches derzeit Soundcloud-Rapper en masse aus dem Boden schießen und die US-Charts mit ekstatischen Turn-Up-Hymnen und absurden Streaming-Zahlen entern, steht GoldLink seit Jahren für organischen, eklektischen Sound, der nichts weiter will, als die Fahne für seine Heimatstadt hochzuhalten. Mit seinem Mix aus EDM, Soul, Rap, Go-Go und House, den er treffend als »Future Bounce« bezeichnet, schwimmt er seit Jahren unbeeindruckt zwischen Genregrenzen. Die uneingeschränkt leichtgängige, fast egale und trotzdem so unverschämt coole Art, wie er die Zeilen seiner Songs runterrattert, zeichnet seinen künstlerischen Duktus auch auf seinem Debütalbum »At What Cost« wieder aus. Nur dass der 24-Jährige es diesmal schafft, sein unfassbares Talent auf vierzehn Tracks zu bündeln und der Welt sein Gesicht zu zeigen. Dass mit »Crew« dabei eine Hit-Single inklusive Grammy-Nominierung herausspringt, ist so natürlich wie seine Musik selbst.
Dein aktuelles Album ist seit Mitte 2017 draußen. Was unterscheidet »At What Cost« von deinen vorherigen Releases?
Es klingt mehr nach mir selbst. Bei den letzten beiden Projekten war ich mir noch nicht darüber im Klaren, was ich wirklich will. Bei »At What Cost« hatte ich zum ersten Mal eine Identität, wusste genau, wo ich stand – und das hat sich auf die Musik übertragen. Außerdem klingt es etwas reduzierter, die Beats sind nicht so abgedreht. Insgesamt ist es etwas eklektischer.
Deine Heimatstadt bildet den Rahmen um dein Schaffen als Künstler, was man auf »At What Cost« mehr denn je hört. Wie war es, in DC aufzuwachsen?
In vielen Vierteln ist es echt rough. Wir waren schon mal die Mordhauptstadt in den USA. Auf der anderen Seite ist es einer der schönsten Orte überhaupt. Du hast das White House und die historischen Bauten und Monumente. Wir haben kulinarische Eigenheiten, eine eigene Kultur und allgemein viele Dinge, die es nur dort gibt. Aus kultureller Sicht ist DC wirklich einzigartig; ein Schmelztiegel vieler verschiedener
Lebensarten; ein Ort, den du nie wirklich verlassen musst. (überlegt) Vielleicht muss man aber doch irgendwann weg, um wirklich wertschätzen zu können, was die Gegend einem bedeutet.
Dein Sound ist stark beeinflusst von Go-Go-Musik. Was ist das genau?
Go-Go ist ursprüngliche DC-Musik. Sie ist in den Sechziger- und Siebzigerjahren entstanden und war von Anfang an ein Genre, das auf Percussion-Sounds basierte. Anfangs war es noch sehr von Soul und Funk beeinflusst, eher langsam und von vielen Untertönen getragen. Go-Go war auch schon immer ein Call-und-Response-Ding. In den Achtzigern waren die HipHop-Einflüsse mehr und mehr zu hören, bevor es in den Neunzigern schneller und schwungvoller wurde. Nach der Jahrtausendwende hat es sich komplett in das verwandelt, was ich als »Black Punk Rock« bezeichnen würde – sehr grungy, viele Drums und Percussions, schlechte Sound-Qualität, aber extrem energiegeladen.
Die Schlussszene im Video zu »Meditation« zeigt dich und deine Gang, wie ihr in eine Club-Schlägerei verwickelt werdet. Enden die Go-Go-Partys in DC immer so?
Ja – früher zumindest. Wenn jemand aus einem Viertel ist, das du nicht ausstehen kannst, und ihr beide zu einer Go-Go-Party geht, kann es passieren, dass es zu einer Auseinandersetzung kommt und jemand angeschossen oder sogar umgebracht wird. Diese Energie ist so intensiv, dass sie schnell in Aggressivität umschlagen kann.
Bei deinen Konzerten spürt man vorwiegend positive Energie. Wie wichtig sind dir Live-Shows?
Extrem wichtig! Es ist die einzige Chance, den Leuten zu zeigen, auf welche Weise du selbst einen Songs fühlst. Sie könnten ihn plötzlich ganz anders wahrnehmen! Es kamen schon Leute nach der Show zu mir und meinten: »Ich dachte erst, der Song sei ganz okay, aber seitdem ich gesehen habe, wie du ihn live performst, hab ich etwas Neues in dem Song gefunden.« Für mich ist es auch nicht selbstverständlich, dass jemand wie du sagt, dass er mich interviewen will; dass Leute zu meinen Shows kommen; dass sie in ihr Auto steigen und zu meinem Konzert fahren. Ich denke darüber oft nach: Was wäre, wenn ich all das für einen Künstler machen und mich auf die Show freuen würde, und der Künstler würde dann eine schlechte Show abliefern? Ich wäre enttäuscht.
Was bedeutet dir die Grammy-Nominierung?
Es fühlt sich großartig an. Vor allem, weil der Song zu hundert Prozent organisch und authentisch ist. Die Leute haben ihn gewählt, weil er echt ist. Als wir den Song gemacht haben, habe ich nicht im Entferntesten daran gedacht, dass das Ding mal auf der Grammy-Liste landen wird.
Durch den Song bist du endgültig auf dem Mainstream-Radar gelandet. Realisierst du, was gerade um dich herum passiert?
Nicht wirklich, ich verarbeite das gerade noch. Aber eins kann ich dir sagen: Es fühlt sich nicht an, als würde gerade alles an mir vorbeirauschen. Die Momente sind intensiv.