Real Talk: So war das damals im Royal Bunker // Kolumne

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»Man, immer das Gleiche!« Irgendwie ist schon wieder Sonntag, und irgendwie ist schon wieder nichts vorbereitet. Wer holt die MKs? Wer kommt pünktlich, um alles vorzubereiten? Wer kommt überhaupt? Hat irgendjemand Werbung gemacht? Keiner weiß was. Das Internet steckt in den Kinderschuhen, und ich glaube, dass noch nicht mal jeder ein Handy hat, und so hetze ich durch Kreuzberg und versuche zu retten, was zu retten ist. Gerade stand ich noch auf dem Deck eines Touristenbusses und habe den Besucherinnen und Besuchern der Stadt Berlin erklärt, dass das Café Bismarck so heißt, weil jeder Bissen eine Mark kostet, was auf Deutsch schon ein ziemlich lahmer Witz ist, auf Englisch aber so richtig wack rüberkommt. Nun also renne ich zu dieser wöchentlichen Veranstaltung, die ich auf die Beine gestellt habe, weil irgendein Rapper namens Juks oder Kool Savas, den ich für sehr talentiert halte, mir mal von so einem Freestyle-Café in Los Angeles erzählt hat, wo sich die ganzen krassen Rapper treffen, um einmal in der Woche gegeneinander zu cyphern. »Geile Idee!«, dachte ich, und deshalb habe ich diesen Nigerianer Jimmy gefragt, als ich ihn getroffen habe, ob wir das bei ihm in der Kneipe machen könnten. Keine Ahnung, ob er mich richtig verstanden hat, aber er meinte, dass wir loslegen können und dass wir auch keine Miete zahlen müssen. Also nicht so richtig. Nur die Eintrittsgelder würde er für sich haben wollen, aber da sowieso niemand zahlt (nie!), kommt nicht wirklich viel dabei rum.

Wir schreiben das Jahr 1997 und die Zukunft liegt noch vor uns. Mal schauen, was daraus wird.

Mal schauen, wie lang es Jimmy überhaupt noch macht mit diesem Musikcafé, und ich stolpere in den düsteren Kellerraum, wo zwei einsame Männer gelangweilt am Tresen hocken. Natürlich sind Rob D und MK One, die beiden DJs, die für die Turntables verantwortlich sind, noch nicht da. Warum auch? Es ist ja erst kurz vor 19 Uhr, und vielleicht kommt ja auch gar keiner. Ist auch schon passiert. Unsere Freestyle-Veranstaltung läuft nicht wirklich gut, und manchmal habe ich das Gefühl, die Leute müssen sich richtig dazu zwingen, überhaupt zu erscheinen. Wie ein lästiger Pflichttermin, so fühlt sich das an, und ehrlich gesagt habe ich auch nicht mehr so wirklich Bock. Sind sowieso immer die gleichen fünf Leute, die da auftauchen, manchmal auch mehr, aber vor allem sind es immer nur dieselben drei Texte, die jeder von denen draufhat. Den von mir angedachten Zweck, dass die Veranstaltung deshalb stattfindet, damit sich die Leute angestachelt fühlen, jede Woche einen neuen Text zu schreiben, diesen Zweck haben die meisten schon lange vergessen oder sowieso nie verstanden. Deshalb stehe ich dann auch zu Beginn der Veranstaltung meistens auf dieser Mini-Bühne und muss die Leute einzeln ansprechen, damit sie sich überhaupt ans Mic schleppen. Also irgendwie habe ich mir unter dem Begriff MC ein bisschen was anderes vorgestellt. So Leute mit Zerstörungswillen und Energie und diesem Hunger, berühmt zu werden. Und irgendwie bin ich mir bei diesen ganzen Typen, diesem Frauenarzt, diesem Bogy, Sido, B-Tight und seiner ganzen Clique, die sich Sekte nennt, diesem Jack Orsen, Ronald Mack Donald, Rhymin Simon, Vokalmatador und diesem Taktlo$$, nicht sicher, ob da wirklich was draus wird. Gauner hat einfach keine coole Frisur und wird sowieso die ganze Zeit gemobbt, weil er Ostler ist, und Message ist einfach nur durch. Nur S-Rok hat immer Bock zu rappen, worauf die anderen aber nicht immer Bock haben. Manchmal ist die Veranstaltung auch richtig, richtig voll und wir haben auch schon mehrere Battles auf verschiedenen Bühnen der Stadt veranstaltet, die ebenfalls sehr erfolgreich waren. Aber dieses sonntägliche Treffen?! Kein Plan, wie lange das noch läuft und wie es weitergeht. Ich wollte halt mal etwas ausprobieren, das kein Rap-Workshop im Jugendhaus ist. Aber ob das hier das Richtige ist? Keine Ahnung. Noch macht es mir meistens Spaß, und wenn es gut läuft, ist es die beste Veranstaltung der Welt. Wenn es schlecht läuft, so wie heute, dann nervt es einfach nur. Aber so ist das halt manchmal mit der Kunst. Keine Ahnung, wie lange wir das noch durchziehen. Keine Ahnung, wie lange es uns oder diesen Royal Bunker in der Mittenwalder Straße überhaupt noch gibt. Oder Rap. Wir schreiben das Jahr 1997 und die Zukunft liegt noch vor uns. Mal schauen, was daraus wird.

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Text: Marcus Staiger

Diese Kolumne erschien in JUICE #183 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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