»079«: Lo & Leduc sind die Schweizer Antwort auf Bausa // Feature

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»079« ist so etwas wie das Schweizer Pendant zu »Was du Liebe nennst«: Catchy und poppig in der Form sowie smart im Inhalt, traf der Song einen Nerv und blieb Woche um Woche um Woche an der Spitze der Single-Charts kleben. Die Urheber: Zwei Berner Ausnahme-Artists, deren Kunst man nicht vorschnell auf Hitparadensound reduzieren sollte.

Wer dem Phänomen Lo & Leduc auf die Spur kommen will, muss nach Bern reisen. Lorenz und Luc, so die bürgerlichen Namen der beiden, sind tief in der musikalischen Kultur der Stadt verwurzelt. Bern, oberflächlich eine unscheinbare Beamtenstadt, hat die dynamischste Kreativszene der Schweiz. Rund um das autonome Jugendzentrum Reithalle treffen sich Künstler verschiedenster Couleur und inspirieren sich gegenseitig zu Grenzüberschreitungen.

In diesem Melting Pot machten Lo & Leduc ihre ersten Gehversuche, die man in ihrer legendären »Update«-Mixtapereihe nachvollziehen kann. Die beiden Lebemänner experimentierten mit karibischen Vibes, elektronischen Einflüssen und feierten mit dem Reggaeton-Hit »Dr Louf« und dem nostalgisch angehauchten »Räuber u Poli« erste Erfolge. Was sie neben dem lebensfrohen, tanzbaren Vibe aus der Masse herausstechen ließ, ist der Fakt, dass sie vorzügliche Texter und Wortjongleure sind. Niemand knetet und modelliert den berndeutschen Dialekt wie Lorenz und Luc.

Nachdem sie mit ihrer Mixtapereihe erste Ausrufezeichen gesetzt hatten, folgte mit ihrem Debütalbum »Zucker fürs Volk« der große Wurf. Darauf paarten sie ruhige, nachdenkliche Songs mit Trademark-Hits wie »Blaui Peperoni«. Die Resonanz auf das Album war anfangs durchweg positiv, der Paukenschlag kam erst mit einigen Wochen Verzug, als die Single »Jung verdammt« durch die Decke ging. Der Song, auf dem die beiden dem Teufel in Form einer hübschen Frau im Club begegnen, avancierte mit über vier Millionen Klicks auf Youtube zum Schweizer Sommerhit schlechthin. Lo & Leduc tourten daraufhin mit ihrer Liveband durch ihr Heimatland.

Mit dem Erfolg der Single ließ auch der altbekannte Sellout-Vorwurf nicht lange auf sich warten. Realkeeper und Golden-Age-Verfechter sahen in den Bernern den personifizierten Niedergang von HipHop. Ohne Zweifel wurden Lo & Leduc die Opfer ihres eigenen Erfolgs, doch mit dem zweiten Album »Ingwer & Ewig« bestätigte sich auch, was viele Beobachter befürchtet hatten: Die LP verkaufte sich weiter gut, doch bei vielen Hörern stellte sich eine gewisse Übersättigung ein, da musikalisch keine nennenswerten Entwicklung zu beobachten waren. Lo und Luc schienen in ihren eigenen Mustern gefangen zu sein.

Der Befreiungsschlag fand vor kurzem mit einer Rückbesinnung auf ihre Wurzeln statt. Mit »Update 4.0« setzten sie ihre legendäre Mixtapereihe fort, nutzten Autotune und Synthies statt Trompeten und Trommeln, texteten wieder frecher und wilder. Lo und Leduc befreiten sich von ihren selbstauf­erlegten Zwängen und erfanden sich neu, doch: Mit »079« landeten sie erneut einen Überhit. Sie wissen eben, wie’s geht.

Text: Luca Thoma
Foto: Maximilian Lederer

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #187. Back-Issues können versandkostenfrei im Shop nachbestellt werden.

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