Yassin – Ypsilon // Review

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(Normale Musik)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Ach, was ein guter Winter. Fast alle wollen ein bisschen die Regierung stürzen, und selbst wer sich nicht direkt mit politischen Problemen plagt, weiß ziemlich sicher, dass es bald knallt – weil es nach irgendwelchen ausgedachten Naturgesetzen mal wieder so weit sein müsste, sich Truther-Horrorfilme gerade ganz gut verkaufen und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass man am Ende der selbsterfüllenden Prophezeiung clever dasteht. Nun steht ja auch das »Ypsilon« kurz vor dem Ende – dem des Alphabets zum Beispiel, wie der Promotext nahelegt, aber eigentlich hat die dazu passende Musik erstaunlich wenig Lust auf Untergang. Der beißende Battle-Wahn, den Yassin im Doppel mit Audio88 verströmt, kommt eigentlich nur einmal auf, nämlich als besagter Audio88 gemeinsam mit Casper im »Alles ist erleuchtet«-Modus aufschlägt, um erst keine und dann doch diverse Kugeln gegen alles Beschissene zu verteilen. Abseits davon wirft der gebürtige Hesse gerne mal die Autotune-Kohlen in den Kamin, schüttelt die Synthie-Decke aus und kuschelt sich ein – mit maximal ein, zwei Hörern. Mit denen plauscht Yassin über Dinge, die Rapper zu Beginn ihrer Dreißiger beschäftigen: Vielleicht doch mal erwachsen werden (»Nie so«), Couple Goals (»Panzerglas«), verfehlte Couple Goals (»Meteoriten«), jugendliche Fehltritte (»Junks«). Überraschend ist weniger die Themenwahl als die Vielseitigkeit, mit der Yassin hier agiert, ohne dass die Platte auseinanderbricht. Dabei merkt man ihm an, dass er Deutschrap exakt studiert hat. Die Coming-of-Age-Story »1985« atmet die stickige Atmosphäre von Straßenrap (nur ohne Straße), in »Junks« berichtet er nüchtern von einem knapp verhinderten Abstieg, »Haare grau« ist eine klassische Einführung mit modernem Vibe, doch am besten laufen tatsächlich die beiden Stücken, die neben Eröffnung und Rausschmeißer einen zweiten Mantel um den Rest hüllen. »Abendland« ist durch die Mischung aus präzisen Bildern und diffusen ­Ahnungen längst Konsens, der Song »Deutschland« indes wird es dank abgekämpftem Tourleben-­Talk, Bon-Iver-Hommage und irri­tierend-verknappter Abgesangs-Lyrik wohl eher nie werden, eben weil es auf dieser Reise keine Parolen gibt. Obwohl man Yassin den Erfolg gönnt, will man »Ypsilon« alleine nicht in den Charts sehen, um diese sanfte Musik nicht mit lauten Headlines teilen zu müssen.

Text: Sebastian Behrlich

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