Veedel Kaztro: »Ich glaube immer noch an das Gute in den Leuten« // Interview

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»Manchmal höre ich eben lieber Bushido als einen politisch korrekten MC«: In die Schublade des politsch korrekten, stets gesellschaftskritischen Reimeschreibers will Veedel Kaztro sich nicht reinpressen lassen. Und trotzdem: wenn am Freitag »Büdchentape III« erscheint, arbeitet sich der Kölner an den Problemen unserer privilegierten Gesellschaft ab. Anstrengendes Zeigefinger-Gebrabbel sucht man dabei vergebens. Veedel bleibt soundfixiert, lernt gerade sogar Klavier. Trotzdem brennen ihm Themen wie Heimatliebe, Rassismus und sein unkaputtbarer Glaube an das Gute im Menschen unter den Nägeln. Zeit für ein Gespräch.

Du bist Deutscher und stellst dich klar gegen die »Almans«. So heißt sogar ein Song auf »Büdchentape III«. Gleichzeitig bist du Köln-Patriot. Bis zu welchem Punkt ist Lokalpatriotismus in Ordnung?
Die Grenze ist, wenn jemand seine eigene Herkunft über eine andere stellt. Ich denke da an das Bild vom pöbelndem Mob: Die Leute stacheln einander an, bis der Einzelne jegliche Vernunft verliert. Das hat meinen Eindruck vom letzten Jahr stark geprägt. Diese Gruppendynamik holt zum Beispiel bei PEGIDA das Schlimmste aus den Menschen raus, besonders, wenn sie alkoholisiert sind. Jeder kann zu seiner Herkunft stehen und meinetwegen der übelste Patriot sein. Aber wenn du so sehr in dein Land verliebt bist, dass du alle anderen als minderwertig ansiehst, hört der Spaß auf.

2014 hast du beim MOT [Moment Of Truth, Videoturnier des splash! Mags; Anm. d. Verf.] Jan Delays »Ich möchte nicht, dass ihr meine Lieder singt« neu interpretiert. »Almans« führt diese Thematik weiter. Siehst du auch positive Entwicklungen oder hast du nur düstere Gesellschaftsprognosen?
Der Großteil der Gesellschaft ist nicht fremdenfeindlich. Die ganzen Hasskommentare auf Facebook fallen aber auf, weil sie so drastisch sind. Die AfD profitiert dann von dieser Plattform. Man soll denken, dass das die vorherrschende Meinung ist. Ein Clown wie Bernd Höcke ist für mich die größte Witzfigur überhaupt und trotzdem wird über ihn gesprochen. Ich lese aber genau so viele korrekte Kommentare, viele Satireseiten bilden gewissermaßen die Gegenstimme zum Hass. Komplett pessimistisch bin ich also nicht. Ich glaube immer noch an das Gute in den Menschen.

Der YouTuber/Rapper Mert hat sich gerade offen schwulenfeindlich geäußert. 3Plusss hat ein Statement dazu abgegeben und ihm erklärt, warum das nicht okay ist. Siehst du das auch als ungünstige Plattform?
Die Plattform hat der Typ sowieso. Gott weiß, warum. Ich halte nicht viel von diesen YouTubern. Da werden einfach merkwürdige Werte vermittelt, an denen sich die Kids orientieren. Diese Konsumgeilheit ist kompletter Bullshit. Der Typ ist offensichtlich ein Idiot. 3Plusss: Ehrenmann! Sich kritisch dagegenzustellen finde ich gut und wichtig.

Homophobie wird genau wie Fremdenfeindlichkeit häufig fälschlicherweise als »Angst« abgetan. Im gleichnamigen Song auf dem Album nimmst du die Rolle des »Angstbürgers« ein. Wie definierst du diesen Begriff?
Das sind Spießer, die einen beschränkten Horizont haben. Ich bin auch manchmal der Einzige in der U-Bahn, der bio-deutsch aussieht. Was ist schlimm daran? Wenn du in einer Großstadt wohnst, bist du an das Leben mit vielen verschieden aussehenden Menschen gewohnt. Du merkst, dass das kein Problem darstellt. Anstatt rumzuheulen sollte man es als Chance sehen, eine andere Kultur kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen. Das ist eine sehr romantisierte Vorstellung, aber vielleicht kann man dadurch eine bessere Gesellschaft aufbauen. Wir können von den verschiedenen kulturell bedingten Wissensschätzen lernen. Von offizieller Instanz muss da aber mehr kommen. Zum Beispiel sollten mehr Begegnungsstätten gebaut werden, denn die können über Jahre die Grundlage für ein vernünftiges Zusammenleben bilden.

Abgesehen davon möchtest du, dass »die Leute mal netter zueinander« sind. »Red doch keinen Scheiß von wegen ‚kein Kleingeld dabei‘, wenn du grad in nem Café sitzt mit deinem scheiß iPhone« heißt es in »LMS 2017«.
Solidarität ist so wichtig. Leute betteln nicht, weil sie Bock darauf haben. Nur weil sie dazu gezwungen sind, haben sie doch nicht jegliches Anrecht auf respektvolle Behandlung verloren! Weniger privilegierte Menschen sind genauso Teil der Gesellschaft und genauso viel Wert wie wir. Du kannst die Leute nicht zwingen, darüber nachzudenken, klar. Dass alle gut zueinander sind, ist eine Utopie. Aber vielleicht ist es ja irgendwann so weit.

Willst du mit diesen Tracks einen Dialog auslösen oder lässt du damit einfach deine Wut ab?
Es wäre vermessen, die Gesellschaft erziehen zu wollen. Ich schreibe mich leer und bewältige damit den Frust, der sich sonst aufstauen würde. Mucke hat einen großen Einfluss, aber in der Oberlehrerrolle käme ich mir dämlich vor. Manches sollte trotzdem einfach ausgesprochen werden.

»Rap ist der Spiegel der Gesellschaft. Die Leute wollen Sexismus hören.«

Du findest es wichtig, politischen Rap mit Humor zu verbinden und ihn nicht verbissen anzugehen. Gibt es politischen Rap, den du dagegen anstrengend findest?
Auf jeden Fall. Manche Leute aus dem linken Spektrum haben immer so stressige »Auf die Fresse«-Beats. Die haben löbliche Ansätze, sind aber keine krassen Rapper. Ich will guten Rap hören, und damit manchmal lieber Bushido als irgendeinen politisch korrekten MC. Es ist auch etwas befremdlich, wenn ich als Politrapper dargestellt werde. Ich mache einfach kritische Themensongs. Auf 16 Zeilen kannst du nicht die Welt erklären, diese Themen sind komplex. Ich bin Musiker und kein Politiker. An erster Stelle steht, ob’s ein geiler Song ist. Eine Stimmung kann man aber trotzdem vermitteln.

Gibt es für dich trotzdem eine Grenze bezüglich politisch korrekter Texte?
Es kommt auf die Dosierung an. Rap ist eben, wie er ist. Was für menschenverachtende Texte manche Mainstream-Künstler schreiben, ist übel. In den USA ist das noch ekelhafter, bei Migos zum Beispiel. Andauernd geht’s um »bad bitches«. Man sagt immer, dass Rap der Spiegel der Gesellschaft ist. Die Leute kriegen das, was sie hören wollen: Sexismus par excellence – auch in Deutschland machen das die erfolgreichsten Künstler. Das Problem liegt bei der Gesellschaft im Allgemeinen. Du kannst aber niemandem vorschreiben, was er denken soll.

Besonders junge Teenager werden schon durch ihre Vorbilder geprägt.
Das ist ein selbstverstärkender Prozess: Diese Texte prägen die Kids und deswegen wollen sie das weiterhin hören. Also haben die Leute, die so einen Scheiß labern, diesen Erfolg. Sich ständig damit rauszureden, dass es nur Entertainment ist, geht nicht. Je mehr Einfluss man hat, desto größere Verantwortung zieht das nach sich. Die Frage ist, ob man bereit ist, seine moralischen Werte über den Haufen zu werfen, um sich ein krasses Image aufzubauen. Man müsste die Akteure selbst fragen, ob sie nachts noch gut schlafen können. Ich könnte nicht mehr in den Spiegel sehen.

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