(Stay High/Groove Attack)
»Ohne mich wäre deutscher Rap schon längst verloren, ja/Ohne mich wäre deutscher Rap nie neugeboren, ja«, lauten die ersten Zeilen von »808« im Album-Opener »Ohne mich«. Bescheidenheit und Tiefstapelei, das sind einfach keine Kategorien im Kreativkosmos von Ufo361. Warum auch? Immerhin ist seine beeindruckende Aufsteigergeschichte eine der schönsten der jüngeren Deutschrap-Historie. Und seine introduzierenden Worte bringen nicht nur diese Erfolgsstory auf den Punkt, sondern legen auch die inhaltliche Marschroute für das Quasi-Debütalbum des Berliners fest: Die Demonstration unkaputtbaren Selbstbewusstseins, die Verbalisierung seiner veränderten Lebensrealität zwischen Kottiwood und »Beverly Hills« sowie die vorgelebte Ausradierung der imaginären Trennlinie zwischen Kunst- und Privatperson – Ufo361 ist real as fuck, und »808« ist dafür die musikalische Entsprechung. Besagter Opener legt davon eindrucksvoll Zeugnis ab. Besonders auffällig dabei: Sein geschicktes Spiel mit Gegensätzlichkeiten, um eine stete Spannung zu erzeugen: Einerseits autocroont er sich auf Melodielinien, die mehr Hoffnung versprechen als Wunderheiler, beinahe zärtlich durch die Hook, andererseits kann man wohl kaum mehr Selbstsicherheit zum Ausdruck bringen als mit der eingangs zitierten Textzeile, die nichts anderes ist als ein pferdeschwanzdicker Mittelfinger an ganz Deutschraphausen. So schmiegt Ufo sich erst hingebungsvoll an den Beat wie ein unterkuscheltes Kätzchen, dann spuckt er ihm aggressiv zwischen die Kicks und faucht seine »From nothing to something«-Story heraus wie ein tollwütiger Puma. Sicher, über die gesamte Spielzeit hinweg wiederholen sich gewisse Themen, das Namedropping der gerockten Designermarken, die Verbalisierung der (vor)gelebten »I don’t give a fuck«-Attitüde. Doch auch das Leben selbst ist eine ständige Repetition, und Ufo gelingt es, seine Themenfelder stets in eine differierende Soundkulisse zu pflanzen. Die Produktionen von AT Beatz, Sonus, Jimmy Torrio, 808 Mafia, Oster und Sam4 lassen es flirren und brummen, knacken und wummern, fiepen und surren – stets mit einem berstenden Bass, der jede Boxenmembran in die Knie zwingt wie Heiratsantragssteller. Doch immer wieder zeigt Ufo auch seine andere, seine zutiefst menschliche, bisweilen sogar seine von Selbstzweifeln zerfressene und kurz vorm Aufgeben befindliche Seite wie im Song »Alpträume«, auf dem er sich mit morscher Stimme so nackt und angreifbar macht wie nie zuvor – und der gerade deshalb als Schlüsselstück der Platte durchgeht, weil er ein ungemein wichtiges Gegengewicht bildet zu der sonst nur so vor Kraft strotzenden Tracklist und solchen Stücken wie der massigen Ronny-J-Produktion »Power« mit Capital Bra oder der Premium-Kollabo »Erober die Welt« mit Gzuz und RAF Camora. Ufo361 war, ist und bleibt feuriger Taktgeber der Deutschrap-Generation, die in der Szene in den letzten Jahren für einen Paradigmenwechsel gesorgt und Trap auch für die passioniertesten Rucksackträger aus der Schmuddelecke geholt hat – weil Ufo Trap (insbesondere durch das beständige Hinarbeiten auf »808« über die gesamte Berlin-Trilogie hinweg) nicht nur ernstgenommen, sondern ihm auch eine Kontur gegeben hat. Zudem ist Ufo mit diesem Album – jeglicher schändlichen Selbstbeweihräucherung und aller künstlerischen Brüche zum Trotz – der vielleicht (lebens)bejahendste Langspieler der gesamten Popgeschichte gelungen. Wir haben bei einer Gesamtspielzeit von knapp 47 Minuten 565 mal »Ja« gezählt. Mehr Positivität geht nicht.
„…der vielleicht (lebens)bejahendste Langspieler der gesamten Popgeschichte gelungen. Wir haben bei einer Gesamtspielzeit von knapp 47 Minuten 565 mal »Ja« gezählt. Mehr Positivität geht nicht.“
Ich hoffe, ihr habt die 36 „nein“ und 56 „niemals“ davon subtrahiert? 😉