»It’s A Compton Thang« (Compton’s Most Wanted)
Die Frage ist: Was bleibt? Nun, zum einen die Erkenntnis, dass man Comptons aufsehenerregender HipHop-Historie auf wenigen Seiten nicht gerecht werden, sondern lediglich an der bewegten Oberfläche kratzen kann. So wurde an dieser Stelle ein herausragender Comptoner Rapper wie YG noch nicht mal erwähnt, sein taktgebender Ausnahmeproduzent DJ Mustard ebenso wenig. Dabei hätten es beide mehr als verdient, an dieser Stelle nicht nur im vorletzten Absatz Erwähnung zu finden. Auch Coolios Verdienste für Rap aus Compton wurden nicht gewürdigt, der mit »Gangsta’s Paradise« immerhin den größten Hit der Stadt fabriziert hat. Wir haben hier nicht angemerkt, dass Eazy-E bei Ruthless Records mal den Atban Klan gesignt hat, zu dem auch will.i.am und apl.de.ap gehörten, und aus dem später die Black Eyed Peas wurden. Wir haben unerwähnt gelassen, dass DJ Yella nach seiner N.W.A-Zeit haufenweise Pornos produziert hat (darunter solch schöne Titel wie »Straight Outta Carla« und »Boyz N The Butt«, bizarrerweise ist ein Film namens »Fuck Tha Police« nicht dabei). Und auch die Sozialphobie, zu der sich Dr. Dre jüngst im Interview mit dem amerikanischen Rolling Stone bekannt hat und die wohl auch der Grund ist, warum das veranschlagte JUICE-Interview nach einigem Hin und Her nicht zustande kam, haben wir bisher ausgeklammert. Es hätte noch so viel zu erzählen gegeben, doch dafür müsste man wohl ein Buchprojekt ins Auge fassen.
Fakt ist jedoch: Die ganze Welt blickt derzeit wieder nach Compton; und zwar auf ein Compton, das sich in den vergangenen Dekaden gewandelt hat. Die Einwohnerstruktur hat sich verändert (lebten dort in den Achtzigern vor allem Afroamerikaner, sind es heute vorwiegend Lateinamerikaner), die Kriminalitätsrate sinkt seit Jahren kontinuierlich (auch dank Programmen wie »Gift For Guns«, bei dem Bürger, die der Polizei ihre Waffen aushändigen, Warengutscheine im Wert von bis zu hundert Dollar erhalten. In den letzten Jahren wurden über 7.000 Waffen abgegeben) und auch die Musikszene der Stadt hat einen hörbaren Wandel durchlebt – selbst wenn sich bei einem Ausnahmekünstler wie Kendrick Lamar und seinen Förderer Dr. Dre der vielbeschworene Kreis schließt. Compton 4 Life. ◘
Hier geht’s zu den weiteren Teilen der Titelstory:
B.G. Knocc Out – Nutty By Nature
Ice Cube – Straight Outta Sesame Street
Boogie – Hub City Slicker
Fotos: Lukas Maeder, Jonathan Mannion, Mike Miller, Christian San Jose
Dieses Feature erschien als Teil der Titelstory in JUICE #170 (hier versandkostenfrei nachbestellen).