Wer um die Jahrtausendwende in Deutschland HipHop hörte, kam um ein Logo nicht herum. Acht weiße Buchstaben auf schwarzem Hintergrund: Showdown. Das Logo war so simpel wie über lange Jahre das Def Jam-Logo, das Rick Rubin einst in seinem Studentenzimmer in New York entwarf. Und es hatte in dieser Zeit eine ähnliche Aussagekraft. Showdown Records aus Hamburg stand für qualitativen HipHop, in einer Zeit, in der sich das Genre hierzulande gerade langsam aber sicher nach einem riesengroßen Hype im Steilflug befand. Das lag auch daran, dass die hiesigen Major-Labels in der Zeit alles signten, was auch nur im Entferntesten nach HipHop aussah und bei drei nicht auf den Bäumen war. Showdown hat sich an daran jedoch nicht beteiligt. Durch einen Deal mit Warner konnte das kleine Label neben verkaufsstarken Acts wie Deichkind auch Themen arbeiten, die nicht unbedingt große Verkäufe versprachen. Das Label um René Goldenbeld kümmerte sich zudem als SureShot Promotions um die Promo für etliche US-Releases etwa von Rawkus Records. Außerdem, so erklärte Goldenbeld im JUICE-Interview, hatten sie »die Möglichkeit, ohne auf die Uhr zu schauen im Boogiepark Studio in Hamburg an den Sachen zu arbeiten – das Studio war Teil des Showdown-Konglomerats.« So entstanden Synergien, die Showdown für sich nutzen und Deutschrap einen ganz eigenen Stempel aufdrücken konnte. Die Showdown-Veröffentlichungen von Square One, KC Da Rookee oder Deichkind sind aus der Deutschrap-Historie nicht wegzudenken. Im Jahr 2003 veröffentlichte Showdown jedoch seine letzte Platte. Längst hatte sich die Stimmung in der Szene geändert. Der deutsche HipHop war ein anderer geworden – die Verkäufe gingen zurück und der Ton wurde härter. Showdown zog sich aus der Labelarbeit zurück.
Letzte Woche verkündete Showdown, mittlerweile von Hamburg nach Berlin übersiedelt, jedoch seine Rückkehr an. »Nachdem wir mit SureShot Promotions die letzten zehn Jahre erfolgreich als Dienstleister für Major- und Indie-Labels aus der ganzen Welt tätig waren und so die Entwicklung der HipHop-Szene sowohl aus Fan- als auch aus Geschäftssicht genau mitverfolgen konnten, haben wir entschieden, dass es an der Zeit ist, wieder eigene Fußabdrücke zu hinterlassen«, so die offizielle Meldung. Mit erweitertem Team will René Goldenbeld die Szene wieder mit neuen Veröffentlichungen bereichern. Ab sofort wird Showdown also »als 360 Grad-Agentur« seine Geschäfte wieder aufnehmen. Neben dem Label Showdown Records mit Vertrieb von Warner wird auch die Promo-Agentur SureShot weiter Akzente setzen. Zudem startet man einen eigenen Verlag – BeatBop Publishing – sowie eine Booking- und Merchandise-Abteilung. Die Motivation im Showdown-Haus ist groß. Goldenbeld: »Die Entwicklung der HipHop-Szene im deutschsprachigen Raum ist spannend wie selten zuvor.«
Nach zehn Jahren Auszeit kommt das simple, schwarz-weiße Logo also zurück. Zur Feier des Comebacks von Showdown haben wir unsere fünf Lieblings-Showdown-Releases zusammengestellt.
Square One »State Of The Art« (1999)
Ali Rasul war der beste Lyricist, der je in Deutschland auf Englisch rappte. Punkt. Showdown erkannte das früher als die meisten anderen. Über DJ Tomekk (!) wurde Showdown-Chef Goldenbeld auf die Münchner aufmerksam und signte sie. 1999 veröffentlichten sie die 12“ »Mind.Body.Soul«. Die Szene reagierte überrascht. Sind diese Jungs wirklich aus Bayern und nicht direkt aus New York? Ein Jahr später kam die nächste 12“ »State Of The Art« und führte den musikalischen Ansatz noch weiter. Ali, der introvertierte Lyricist am Mic, auf Beats von Iman und Cuts von Edward Sizzerhand. Square One waren Rakim, Pete Rock, Gang Starr und A Tribe Called Quest – dabei aber weit entfernt von einem Plagiat, sondern eine Übersetzung mit höchstmöglicher Qualität.
Chosen Few »Raw Beauty« (1999)
Random Rap auf Showdown. Eine heute vergessene Crew aus München, die vor knapp 15 Jahren diesen Boombap-Brecher als einzige Maxi bei Goldenbeld & Co. veröffentlichte: Dass der Song vergleichsweise gut gealtert ist, liegt vor allem am grandios klassischen Eastcoast-Brett von Producer Amok und perfekten Scratches von DJ Edward Sizzerhand (Square One); lyrisch gibt es reichlich Queensbridge-Zitate auf Stand der Kunst von ’99 inklusive der damals typischen »Beats & Rhymes«-Phrasen. Kürzlich schickte uns ein Leser sogar einen CD-Rohling mit einem Mixtape-Rip des Songs und legte einen 10-Euro-Schein bei – als Belohnung, falls wir ihm den Urheber nennen können. Wir konnten (mit Hilfe unserer Leser) und setzten den wohlverdienten Zehner anschließend für eine Redaktionsrunde ehrlichen Filterkaffee in unserer Kreuzberger Stammbäckerei ein.
KC Da Rookee »Got That Thang« (2000)
Nicht umsonst bezeichnete Casper mal das Instrumental von DJ Desue für KC Da Rookees »Got That Thang« als besten Deutschrap-Beat aller Zeiten. (Und benutzte es Jahre später für seinen Free-Track »Halbe Mille« selbst.) Der Brite KC Da Rookee kam wegen seines Basketball-Talents nach Deutschland und wohnte erst in Berlin, wo er eng mit dem KMC Clique verbunden war. Durch den Deal mit Showdown zog er nach Hamburg und setzte 1999 mit der 12“ »Got That Thant/Betta Betta« ein Zeichen. Nur wenige Andere konnte sich als englischsprachige Rapper so in Deutschland behaupten wie KC, nur Wenige tourten um die Jahrtausendwende so emsig durch das Land. Und nur Wenige sahen in Musketier-Kostüm stylisher aus.
Deichkind feat. Nina »Bon Voyage« (2000)
Egal, was man heutzutage über einen Song wie »Bon Voyage« im Speziellen und Deichkind im Allgemeinen denken mag, dieser Song war ein Hit. Showdown machte damit also klar, dass sie auch Hits konnten. »Bon Voyage« kletterte 2000 nebst Höchst-Rotation auf VIVA und MTV bis auf Platz 11 der Single-Charts und legte damit den Grundstein für die langanhaltende Karriere von Deichkind. Das dazugehörige Album »Bitte ziehen Sie durch« ging bis auf Platz 18 der Album-Charts. Die Szene stand (zum großen Teil) immer hinter den Hamburgern, eben weil sie direkt aus der Szene kamen.
Square One »Applause« (2001)
2001 stieg Mr. Schnabel, der Showdown-Label-Kollege von Square One, mit seinem Album »Is’n Schnabelding – Willkommen In Schnabylon« auf Platz 46 der Charts ein. Zwei Wochen später folgte das Square One-Debüt »Walk Of Life«. Ali Rasul, Iman und Edward Sizzerhand (Square One hatte mittlerweile mit Gianni Dolo einen weiteren Rapper an Board) waren sich sicher, dass sie mit ihrem Album einen Genre-Klassiker geschaffen hatten. Die Erwartungen waren hoch – man erhoffte sich auch einen kommerziellen Erfolg, auch wenn die Aussichten als auf Englisch rappende Band nicht besonders gut standen. Das Album wurde von Kritikern und Hörern gefeiert, blieb aber kommerziell weit unter den Erwartungen und kam gerade so in die Top 100. Ein Genre-Klassiker ist »Walk Of Life« dennoch – sehr wahrscheinlich sogar das beste englischsprachige Deutschrap-Album aller Zeiten! Nach »Walk Of Life« trennten sich Square One jedoch. Der überraschende Tod von Ali »Rasul« Rakhshandeh im Jahr 2010 schockte die Szene nachhaltig. Songs wie »Applause« jagen auch heute noch gestandenen Männern Gänsehaut über den ganzen Körper.
Bonus: Vor Kurzem ist das »Walk Of Life«-Snippet von Square One im Internet aufgetaucht. Gemixt von Square One-DJ Edward Sizzerhand.