(Suburban Noize)
Das endlose Drama um diese Platte in wenigen Worten: Ende 2004 wird Saigon zusammen mit Papoose, Jae Millz und Tru Life nach ersten Mixtape-Erfolgen als junger Erbe der klassischen Lyricists von Biggie bis Tupac und damit auch als New Yorks neue Hardcore-Hoffnung gefeiert. Dank seines beachtlichen Underground-Hypes und seines prominenten Fürsprechers und Produzenten Just Blaze wird Saigon von Atlantic direkt aufs Abstellgleis gesignt, nur weiß der »Entourage«-Aushilfsdarsteller zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nichts davon. Die Suche des Labels nach einer radiotauglichen Hit-Single wird allerdings schnell zum Versuch der Quadratur des Kreises. Atlantic will den unbedingten kommerziellen Erfolg, Saigiddy will lyrische Qualität, soziales Bewusstsein und zeitlose Beats. 2007 platzt ihm schließlich der Kragen. Es kommt zum Streit mit Just Blaze, zum Rechtsstreit mit Atlantic und mit beidem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er »seine« Geschichte tatsächlich niemals veröffentlichen werden darf – der geplante Albumtitel wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung.
Zeitsprung. Im Februar 2011 kommt »The Greatest Story Never Told« in die Läden. Fast sieben Jahre hat er nun mit längeren Pausen an der Platte gearbeitet, wie angekündigt hat sein Mentor Just Blaze, mit dem er sich kurze Zeit nach dem damaligen Streit wieder vertragen hatte, den größten Teil der qualitativ hochwertigen, klassisch konstruierten Produktionen erledigt. Und wie nicht anders zu erwarten, strotzt diese Platte vor lyrischer Stärke. Saigon ist und bleibt vor allem ein kantiger, aber eloquenter Geschichtenerzähler mit einem schier unfickbaren Flow, starker Beobachtungsgabe und erstklassigen Bildern. Er beäugt seine direkte Umwelt kritisch (»Oh Yeah«), berichtet vom harten Alltag alleinerziehender Mütter (»It’s Alright«), übt Kritik an den Predigern der protestantischen Kirche (»Preacher«), und wenn es sich gut anlässt, stylet er sich halt auch mal an der Seite von Jay-Z einen Wolf (»Come On Baby«). Saigon ist eben einfach der Inbegriff eines MCs. So jemand steht mit beiden Beinen in der Cypher und nicht in den Charts.
Dabei ist »The Greatest Story Never Told« keine leichte Kost. Saigon hat sich für dieses Album sehr viel Zeit lassen müssen, genau das erwartet er nun auch von seinen Zuhörern. Tracks, die gerne auch mal sechs Minuten dauern, funktionieren nun mal nicht so richtig als Hintergrundberieselung beim Bügeln. Rap ist und bleibt Soulmusik, und auf dieses Album trifft das alte Curse-Credo komplett zu. Mit seiner stringenten, aber nicht langweiligen Golden-Age-Soundästhetik und den großartig ausgewählten Gästen von Q-Tip über Devin The Dude und Bun B bis Black Thought ist »The Greatest Story Never Told« am Ende beinahe ein perfektes Rap Album mit strikter No-Bullshit-Attitüde geworden. 18 dope Stücke, allesamt mit einer starken Aussage. Damit überfährt Saigon natürlich jeden Hörer, dessen inhaltliche Erwartungen vom Formatradio weichgespült wurden. Die Platte braucht aber selbst für den anspruchsvollen Fan einige Anläufe, damit man sie wirklich ins Herz schließen kann. Doch die Geduld zahlt sich definitiv aus.
Text: Julian Gupta