(Fat Beats/Groove Attack)
Im Netz hat das ehemalige Flipmode-Squad-Mitglied Roc Marciano längst eine treue Gemeinde aus stalinistischen Blogger-Stans um sich geschart. Inzwischen häufen sich aber auch die öffentlichen Respekt-Replies von Rapperkollegen in Richtung Twitter-Account @rocmarci. Sein Solodebüt “Marcberg”, gefühlte siebzehneinhalb Äonen in der Mache, ist das erste regulär veröffentlichte Lebenszeichen seit dem Crew-Album “UN Or U Out”, mit Ausnahme weniger wohldosierter Gastauftritte bei den P Brothers, GZA und Marco Polo. Vollständig selbst produziert und mit nur einem einzigen Feature von einem nicht untalentierten The D.O.C.-Imitator namens KA versehen, ist “Marcberg” das letztgültige Skills-Manifest des nicht mehr ganz taufrischen MCs aus Long Island. Dass er auch die 15 Instrumentals geschustert hat, ist weniger seinen Ambitionen als Producer, sondern vielmehr einem Mangel an passenden Exemplaren auf den Beat-CDs der üblichen Verdächtigen geschuldet. Klar, denn mit düsterem RZA-Funk aus der “Forever”-Ära erreicht man aktuell eher keine Platzierungen bei den Platzhirschen der Major-Industrie, für Roc Marcys slickes Storytelling jedoch sind die irgendwo zwischen Madlibs frühem Material und Alchemists rohen “Return Of The Mac”-Loops anzusiedelnden Gerüste die einzig adäquate Unterlage. Vor allem lenken sie in keinem Moment von den Fähigkeiten des Protagonisten ab, der Multisilbenraps wie eine Automatikkwaffe rausballert, stets eine erfrischend bodenständige Grown-Man-Perspektive einnimmt und es mit seinen authentischen Geschichten schafft, eine einzigartige, unverwechselbare Atmosphäre zwischen “Temples Of Boom” und “East NY Theory” zu kreieren. Die Referenzen liegen dabei auf der Hand: Rakim, Nas, Slick Rick, Biggie, Kool Moe Dee. Doch Marciano liebt auch “De La Soul Is Dead”, “Critical Beatdown” und “Nice & Smooth”, also Alben, die zu ihrer Erscheinungszeit als unspektakulär angesehen wurden, den Test der Zeit aber mit solcher Bravour bestanden haben, dass sie trotz oder gerade aufgrund ihrer Patina immer noch so wunderbar klingen wie am ersten Tag. Eine ähnliche Wirkung prophezeie ich auch “Marcberg”: Erstwochenverkäufe voraussichtlich unter ferner liefen, aber eine Halbwertszeit wie Uran.
Text: Stephan Szillus