(First Love Music/ Soulfood)
»Ich gebe mich auf, um ich zu sein«, heißt es im Booklet von »Monolog«, dem ersten Tonträger, den der MC, der sich ehemals Sprachtot nannte, unter seinem bürgerlichen Namen Marc Reis veröffentlicht. Schon nach wenigen Durchgängen fällt auf: Die inhaltliche und musikalische Härte und Brachialität vergangener Releases ist hier einer ungewohnten Musikalität gewichen. Der kohärente Soundteppich wurde überwiegend von RAF Camora geknüpft, der sich langsam aber sicher zu einem der besten HipHop-Produzenten Deutschlands entwickelt. Daneben arbeiteten Beatlefield, KD-Supier, The Royals und Benno Calmbach an dem organischen Soundbild des Albums mit, das für Marc Reis einen Neuanfang und eine Neuausrichtung bedeutet. Was sich allerdings nicht geändert hat: Technik, Stimme, Präsenz. Der Exil-Mannheimer und Wahl-Berliner erzählt mit markantem Organ von Erlebtem und Erfahrenem, doch schafft er es diesmal auch, seine vielschichtigen Geschichten in schlüssige Songkonzepte mit starken Melodien und Hooks zu verpacken. Vor allem jedoch bedeutet »Monolog« in seiner Gesamtheit ein permanentes Auf und Ab der Emotionen. »Chill hart« ist der offensichtliche Hit der Platte, doch auch das pathetische »Bourbon Soundz« oder »Tanz der Teufel« sind mitreißende Hymnen des Hedonismus, in die sich nur zögerlich die Angst vor dem schlimmen Kater nach der großen Feier mischt. »Monolog« oder »Zeit für mich« mit Jonesmann hingegen sind ehrliche, selbstreflexive Stücke, die von einem enormen menschlichen Reifeprozess des Künstlers zeugen. Und so gibt es unter den 14 respektive (mit Bonustracks) 16 Songs nur ganz vereinzelte Ausreißer, die mir gegen den Strich gehen: »Opiate« ist so eine Nummer mit seinen käsigen Eurodance-Synthies und seiner primitiven »Hey, Hey, Hey«-Hook, bei »Jungs ohne Namen« ist es vor allem der Gastauftritt des Sängers Atemraub, der mir mit seinem offensiven Deutschpop-Appeal quer im Magen liegt. Abgesehen davon jedoch ist »Monolog« durchgängig gelungen, vor allem schließt das Album mit einem der absoluten Höhepunkte, dem autobiografischen »Auf Wiedersehn 3«, wo Marc Reis familiäre Tragödien und Heimatsuche auf einem einfachen, aber unglaublich wirkungsvollen KD-Supier-Instrumental verarbeitet.
Text: Stephan Szillus