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Haftbefehl – Azzlack Stereotyp

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Nun könnte man natürlich konstatieren, dass Haftbefehl mit seinem Albumdebüt dem erstaunlich lange währenden Hype um seine Person letztendlich gerecht geworden ist, künstlerisch und – den Umständen entsprechend – auch kommerziell. Viel interessanter jedoch ist, welche Publikumserwartungen „Azzlack Stereotyp“ bezeichnenderweise NICHT erfüllt: Denjenigen, die immer noch nicht überrissen haben, dass Haftbefehl dank Charisma, Stimme, Vokabular und vor allem Flow eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Straßenrap darstellt, wird wohl auch anhand dieser Doppel-CD kein Licht aufgehen. Aber auch diejenigen, die sich verzweifelt an den Humor des Offenbacher Hünen klammerten, um ja nicht in Gefahr zu geraten, Haftbefehls Straßenlyrik für das abzufeiern, was sie ist, werden hier keine Munition für ihre Argumentation finden. Ganz zu schweigen von der „So scheiße, dass es wieder geil ist“-Fraktion, die sich in ihrer latenten Xenophobie wahlweise nach dem Muster von Grup Tekkan oder Erkan & Stefan über Haftbefehl amüsierte. Denn das, was auf diesen 21 Tracks passiert, ist eben schlicht und ergreifend geiler Straßenrap, mit all den genretypischen Übertreibungen, Schilderungen, fragwürdigen Moralvorstellungen und sprachlichen Eigenheiten, Straßenrap mit all seinen Ecken und Kanten eben. Sich darüber zu streiten, wie viel Sinn es macht, einerseits den Ticker und gewalttätigen Gangster zu geben, andererseits dann besorgte Mahnungen an die Jugend zu richten oder sich auch mal hübsch in Selbstmitleid zu suhlen, ist an dieser Stelle müßig – wer eine Gebrauchsanweisung für seine Rap-Rezeption braucht, der wird mit „Azzlack Stereotyp“ ohnehin nicht glücklich. Wenn Hafti nämlich so richtig aufdreht und mit fachmännischen bis aberwitzigen Beschreibungen seine Umgebung aus Blocks, Drogen und Rotlicht deutlich bildhafter vor dem inneren Auge entstehen lässt als die bisherigen Spezialisten auf diesem Gebiet, dann rotiert der moralische Kompass von Otto Normalverbraucher. Der geneigte Rap-Fan wird das Ding dafür nicht so schnell aus dem Player kriegen: Hier spürt man Biggie-Atmosphäre – nur eben mit den Koordinaten Offenbach, Frankfurt und 2010.

Echte Musik

Marc Leopoldseder

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