Der Drake und seine Emotionen. Was sollen wir nur machen? Es ist ja nicht so, dass uns das Gejammere von Drake nicht auf die Nerven geht. Worüber beklagt sich der Bengel eigentlich? Sicher nervt es, wenn jeder x-beliebige Stiesel und all die Hanswürste wertend über jede deine Taten und Worte spricht. Es ist bestimmt auch nicht angenehm, auf jeder Party eine Verflossene zu sehen, die dich mit Missbehagen und Aversion anschaut, da du sie nach Strich und Faden verarscht hast. Die ewige Fragerei, ob du deinen alten Schulfreunden ein paar Tausend Dollar leihen kannst, da du ja über zweistellige Millionenbeträge verfügst, ist ebenfalls lästig. Aber Junge, es ist jetzt wirklich nicht so, als hättest du das ganze nicht mit größter Lust heraufbeschworen. Was hast du auch so schrecklich gute Mixtapes und so ein freches und beinahe perfektes Debütalbum abgeliefert. Wenn das alles Bullshit gewesen wäre, würde es ja wirklich niemanden interessieren, ob du nun auf einem Codein-Getränk mit deinen Jungs feiern gehst oder auf vier Codein-Getränken durch den Club purzelst, einen auf Headhunter machst und Damen abwirbst. Wieso erzählst du das auch auf so unterhaltsame Art und Weise?
Drake – Headlines by Hypetrak
Genau wie auf »Headlines«. Die Single zum endlich bald erscheinenden Drake-Album »Take Care«. Boi-1da liefert zusammen mit »40« das vor sich hinklimpernde, soulige Plastik-Instrumental und nach zwölf Sekunden geht es auch schon los mit der Therapie.
»I might be too strung out on compliments, overdosed on confidence. Started not to give a fuck and stop fearing the consequence…« Könnte er durchaus Recht haben. Betrachtet man die Höhenflüge, die sich bei manch anderen schon auf Kreisliganiveau andeuten, ist es durchaus verständlich, wenn der Charakter am stetigen Lob und der Schleimscheißerei des Umfeldes ein wenig zu Grunde geht. Und wer soll die verklärte Selbsteinschätzung übelnehmen? Der Kerl hat mittlerweile Stevie Wonder auf seinem Album und chillt mit ihm auf seinem absurden OVO-Fest. Aber da Drake dies erkannt hat, verzeihen wir ihm.
Weiter geht es mit einer zwar amüsanten und unterhaltenden, gleichzeitig auch beunruhigenden neuen Eigenschaft von Drizzy: dem ausführliche Drugtalk. Sicher, Weed, Yay-Lines und Sizzurp wurden hüben wie drüben auch in der Vergangenheit ins Mikrofon gehaucht, der heutige Drake scheint hier jedoch viel ausgiebiger im Phantasialand zu spielen und das nicht erst seit dem die Schiwa Assar beTammus-Tage vorbei sind.
„Faded way too long, I’m floating in and out of consciousness…«
Doch er wird damit schon klarkommen. Der Verstand ist schnell und weiter geht es. Er sei an seinen Fehlern gewachsen, hat es mal bitter nötig gehabt, dass ihm jemand den Kopf wäscht und all der selbstreinigende Kram, nur um sich gleich mit dem bösen, zweiten Ich abzuwechseln. Sich dessen bewusst, dass er durch das Abhängen mit den Cash Money-Jungs ein paar äußerst stabile Zeitgenossen auf die Gästeliste schreiben kann, scheut er keinerlei Streitigkeiten.
Ob die »..diss me you never get a reply from me«-Zeiten vorbei sind, ist nicht gesagt. Doch nach Zeilen wie: »You know good and well that you don’t want a problem like that. You gonna make someone around me catch a body like that. Nooooooo, don’t do it, please don’t do it. Cause one of us goes in and we all go through it…« ist es relativ eindeutig, in welche Richtung so eine Kneipenkeilerei mit Drake gehen könnte.
Und kurz bevor es seltsam wird oder der ehemalige Kinderstar in einen knallharten Hooligan-Jargon verfällt, blitzt wieder diese Ambivalenz auf, für die wir ihn lieben. Natürlich gibt es Dudes an seiner Seite, die dich Krankenhaus machen können. Und der Grund dafür ist nicht bedingungslose heterosexuelle Männerfreundschaft, sondern einfach das Bargeld in Dizzys Bank Account: »And Drizzy got the money, so Drizzy gonna pay it. Those my brothers, I ain’t even gotta say it. That’s just something they know.«
Vinnie Chase-Style, wie echt dieser Einsatz der Brüder ist, kann man schwer ausmachen. Aber so lange Geld da ist, passt es schon und zurzeit sieht es nicht so aus, als würde Drake den Mike Tyson-, Das Bo- oder MC Hammer-Weg einschlagen, denn Drizzy hat es drauf. So viel ist sicher. Er war sogar noch nett genug, all den Zweiflern genügend Zeit zu lassen, um das herauszufinden, doch nun ist es eine nicht abzustreitende Tatsache, dass Drake einer DER Rapper unserer Zeit ist.
Nach der entspannten Hook muss sich Aubrey wieder mit einem nervigen Weibe herumschlagen, die ihm erklärt, dass die Kids nach seinen alten Mixtape-Styles gelüsten und der ganze Gefühlsdusel– und Lean-Kram sei mittlerweile sowieso totally played out, son. Dieser komplexe Sachverhalt wird quasi in einem Verse mit Chrous-Füllung serviert. Wer Konzertmitschnitte von dem Kanadier kennt oder selbst eines besucht hat, wird sich vorstellen können, wie viele Leute diese Zeilen mitsingen werden: »If they don’t get it, they’ll be oooover you. That new shit that you got is ooooverdue. You better do what you suppoooosed to do.«
Drake platzt die Hutschnur, sieht aber ein, dass sie in einigen Punkten gar nicht so falsch liegt: »I’m like ‚Why I gotta be all that?‘ but still I can’t deny the fact. That it’s true. Listening to you expressing all them feelings. Soap opera rappers, all these niggas sound like ‚All My Children’…«
Amen. Uns graut es schon bei der Vorstellung, wie viele Rapper uns bald von all den grausamen Regentropfen auf ihrem Kinderzimmerfenster, dem platten Fahrradreifen und ähnlichen tragischen Vorfällen aus ihrem aufregenden Leben erzählen werden, weil sie Drakes Diskografie und Caspers Riesenwurf »XOXO« gehört haben. Aber niemand von denen wird auch nur im geringsten etwas reißen, da in ihnen keine Vollblutrapper schlummern, sondern lediglich langweilige Heulsusen mit viel zu viel Zeit. Ganz einfach.
»You know that they ain’t even got it like that. You gonna hype me up and make me catch a body like that. Cause I live for this, it isn’t just a hobby like that!«
Qualität setzt sich am Ende dann doch durch. »Take Care« wird ein Riesenalbum werden. Die Clips, Vorabberichte, die aktuelle Entourage und die Leaks lassen Fantastisches erahnen und wenn wir die Platte schließlich einlegen, muss er uns nicht mal sagen, dass er ein doper Rapper und Ausnahmekünstler ist. Das wissen wir auch so.
»That’s just something they know, they knoooooow, they know, they know, they knoooow. They know, they know…» Soll er es doch noch 55 Mal wiederholen, damit es auch wirklich alle Hanswürste wissen.
(nn)