Kings Of HipHop: N.W.A.

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Den ersten Langspiel-Release und damit sofort einen unglaublichen Erfolg konnte Ruthless Records 1988 dann mit dem erwähnten Gangstarap-Schocker »Straight Outta Compton« verbuchen. Die Eingangs-Trias des Albums, bestehend aus den Songs »Straight Outta Compton«, »Fuck The Police« und »Gangsta Gangsta« setzte nicht nur jeden rebellionslustigen amerikanischen Teenager unter Strom, sondern auch die thematischen Eckpunkte des Gangstarap-Universums: Das ist unser Ghetto, hier leben wir. Die verfluchte Polizei will uns aus dem Weg räumen, denn so leben wir. Pointierter und dank der hysterischen medialen Reaktion breitenwirksamer wurden diese essenziellen Gangstarap-Ingredienzien noch nie unters Volk gebracht, und Eazy-E und Geschäftspartner Heller wussten davon zu profitieren; einen Monat nach »Straight Outta Compton« stellte Ruthless bereits Eazys späteres Platin-Album »Eazy-Duz-lt« in die Regale. Wer nun denkt, Eazy-E sei der fleißigste Künstler seines Labels gewesen, liegt jedoch falsch: Produziert von Dre und Yella, waren für die Lyrics beider LPs hauptsächlich Ren, Ice Cube und The D.O.C. verantwortlich.

 

Diese Arbeitsteilung, dem Vernehmen nach aber weder zwischenmenschlich noch monetär als solche vergütet, war offenbar der Grund, warum der nach Meinung vieler talentierteste MC und Schreiber der Gruppe Ende 1989 hinschmiss und sich auf Solopfaden versuchte – Ice Cube hatte knapp die Hälfte der Lyrics von »Straight Outta Compton« geschrieben, aber nicht den entsprechenden Anteil an Kohle gesehen. Zudem war Eazy-E nach außen hin klar der Anfuhrer der Bande; Ice Cube zog die Konsequenzen und startete 1990 mit »AmeriKKKas’s Most Wanted« äußerst erfolgreich seine Solokarriere. Eazy-E und der Rest der Truppe legten im selben Jahr mit der EP »100 Miles And Runnin’« nach, die neben dem Fast-Rap-Titeltrack auch ein paar böse Ansagen in Richtung des abtrünnigen Crew-Mitglieds enthielt; dass N.W.A. in nicht gerade zimperlich ausgetragenen öffentlichen Streitereien zerbröseln wurde, konnte man zu dem Zeitpunkt schon erahnen. Auf seiner EP »Kill At Will« brachte Cube daraufhin ein paar dezente Seitenhiebe an, die aufgrund des Erfolges der Platte aber durchaus von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen wurden. Die deutliche Antwort folgte 1991 auf dem letzten N.W.A.-Album »Efil4zaggin«: Wenn sie Ice Cube in die Finger kriegten, würden sie ihm die Haare abrasieren und ihn mit einem Besenstiel vergewaltigen, drohte MC Ren hier ganz unverblümt. Trotz oder gerade wegen solcher Ansagen und der nach wie vor harten, aber von Dre und Yella immer mehr in Richtung des später G-Funk genannten Sounds produzierten Beats toppte auch diese LP die Billboards. Für zusätzlichen (kalkulierten?) Ärger sorgte hier der Albumtitel. »Niggaz4Life« durfte das Ding aus naheliegenden Gründen nicht heißen, also benutzte man kurzerhand Spiegelschrift.

Nach diesen Äußerungen sah auch Ice Cube keinen Grund mehr für falsche Zurückhaltung und zog auf »No Vaseline« vom ’91er »Death Certificate«-Album so richtig vom Leder und nahm die persönlichen und geschäftlichen N.W.A.-Interna als Grundlage für diesen mittlerweile klassischen Diss-Track: Allesamt würden sie nicht mehr in der Hood wohnen und ihren Background verraten, warf Cube seinen Ex-Kollegen hier vor, Eazy-E betrüge seine vermeintlichen Freunde nach Strich und Faden und überhaupt wäre das Ganze ja eine von einem jüdischen, weißen Manager ferngesteuerte House Nigga-Truppe. Das Ganze natürlich in entsprechender lyrischer Verpackung: Wer hier wen in den Arsch fickt, wessen Schwanz nach wessen Scheiße riecht und wer der dominante Part in diesem Gangbang ist, kann der geneigte Fan ja bei Gelegenheit nachhören.

Dass da wohl wirklich einiges im Argen lag bei Ruthless, zeigte sich im Anschluss an den Release von »Efil4zaggin« 1991 : Noch im selben Jahr hob Dr. Dre zusammen mit Suge Knight Death Row Records aus der Taufe, offenbar misstrauten Dre und D.O.C. Jerry Heller und fühlten sich von ihm und Eazy-E über den Tisch gezogen. Das Problem bestehender Verträge mit Ruthless löste man mit der berüchtigten Suge Knight-Methode: Was genau der massive Plattenmogul in spe Heller und Eazy drohte anzutun, wenn nicht nach seinem Gusto entschieden würde, ist nicht überliefert, jedenfalls wechselten sowohl Dr. Dre, The D.O.C. als auch die Sängerin Michel’le trotz laufender Verträge zu Death Row Records. Das Rap-Jahr 1993 sah daraufhin einen erneuten erbitterten Beef zwischen ehemaligen Crew-Kollegen. »The Chronic«, Ende 1992 erschienen, katapultierte den ehemaligen Studiofuchs in Ruthless‘ Diensten an die Spitze der Rap-Welt, und für seine Rache an Eazy-E und Jerry Heller ließ sich Dr. Dre etwas ganz Besonderes einfallen: Im Video zu »Fuck Wit Dre Day« ließ er eine Eazy-Karikatur namens Sleazy-E auftreten, die zunächst einen Deal mit einer Jerry Heller-Karikatur unterzeichnet, um dann im Verlauf des Clips in mannigfaltiger Weise lächerlich gemacht zu werden. Eazy-E antwortete lange nicht so gewitzt, aber vehement: »It’s On (Dr. Dre) 187um Killa«, der Titel seiner Antwort-EP, ist ein Gang-Code, der in etwa so viel besagt, dass Eazy-E plant, seinen Rivalen und ehemaligen Kollegen per Mordanschlag um die Ecke zu bringen. Auf dem EP-Track »Real Muthaphuckkin G’s«, lyrisch tatkräftig unterstützt von B.G. Knoccout und Gangsta Dresta, wurde ebenfalls scharf geschossen, u.a. stellte Eazy klar, dass er dank vertraglicher Bindung immer noch an seinem ehemaligen Exklusiv-Produzenten Dre verdienen würde, und natürlich wurde auch dessen Glaubwürdigkeit, Street Credibility und Sexualität in Zweifel gezogen. Eingangs erwähnte Lippenstift-Fotos aus Dres World Class Wreckin‘ Cru-Zeit sollten im Videoclip als Beweis dafür herhalten, dass Dre eher ein »She Thang« denn ein »G Thang« am Laufen hätte.

Als Eazy-E am 26. März 1995 an den Folgen seiner Aids-Erkrankung starb, fanden die Streitigkeiten rund um N.W.A. und deren Protagonisten endlich ein Ende. Sowohl Dre als auch Ice Cube besuchten den N.W.A.-Initiator kurz vor seinem Tod im Krankenhaus und sprachen sich mit ihrem ehemaligen Crew-Mitglied und späteren Intimfeind aus. An dieser Stelle muss man wohl auch das endgültige Ende der legendären Gangstarap-Gruppe festmachen, denn auch wenn es später Reunion-Versuche gab, die verbliebenen Mitglieder in verschiedenen Konstellationen zusammenarbeiteten und auch zwei eherzusammengewürfelte »The N.W.A. Legacy«-Alben erschienen sind: Letztendlich besteht das, was die (Rap-)Welt mit N.W.A. assoziiert, aus zwei Alben und einer EP. Die gefährlichste Gruppe der Welt kann man eben nicht ewig sein.

Text: Marc Leopoldseder

Dieses Feature stammt aus JUICE #125 (Dezember 2009) (hier versandkostenfrei nachbestellen)
juice-12-2009

1 Kommentar

  1. Sagt mal, werden die Texte von irgendeinem Kollegen nochmal redigiert bevor sie online gehen?
    Keine Wertung, reines Interesse. 🙂

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