(Selfmade Records/Universal)
Neulich hatte ich einen schönen Reminiszenz-Moment: Kollegah, seines Zeichens »Deutschlands einziger Zuhälterrapper«, veröffentlichte »Genozid«, ein gut siebenminütiges Appetithäppchen, das hungrig auf »Zuhältertape 4« machen sollte. Und ja, das gelang. Mal wieder staunte ich über die Sprachgewalt dieses noch immer jungen, gutaussehenden Mannes, der seit gefühlten Ewigkeiten Gewaltfantasien in gewitzte Vergleiche destilliert. Zuletzt ging mein Unterkiefer bei »Boss der Bosse« auf Tauchgang, als ich kaum fassen konnte, was dieses Album, dieser Rapper für eine Sprachgewalt entwickelte. Faszination, je mehr die Plastikbeats veredelt wurden, auf denen Rund zehn Jahre sind seitdem ins Land gegangen, die Spieluhr Kollegah wurde ein ums andere Mal aufgezogen – und auch das ZHT4 spielt die altbekannte Melodei rhythmischer Pimp-Slaps. Doch was früher sprachliche und musikalische Pionierarbeit war, ist ein Selbstläufer ohnegleichen geworden. Wem Kollegah als »mit Headset rappender« RBA-Zögling bekannt wurde, der wünscht sich schon lange die Wärme seines früheren Schaffens zurück. Der kompromisslose und stets etwas trashige »Zuhälterstyle« verlor an er stattfand. Wer wissen will, wie Kollegah auf passendem Soundteppich klingt, hört den »Kool & The Gang«-Dr.-Bootleg-Remix. Und doch: Man kauft Felix Antoine Blume ab, dass er mit Spaß bei der Sache ist. Die Betonung liegt auf kaufen. Ein Katzenjammer, dass der Halbkanadier selbst zu einem der Produkte geworden ist, deren Konsum und Verschleiß er so eindrucksvoll berappt – hochstilisiert bis zum sonnenfinsterniserzeugenden Bizeps, ungreifbar für Kritik, an der verschwimmenden Grenze zwischen Kunstfigur und Realität. Es sei eine »gute Entwicklung«, dass ihm Zwölfjährige auf Instagram »frauenverachtende Collagen« schicken, sagt der hochtrabende Boss im Backspin-Interview, sperrt auf seinem Album Bitches in Käfige und lässt sie aus Näpfen fressen. Aber das tat er ja schon immer. Die Spieluhr spielt ihr altes Lied. Kollegahs Alleinstellungsmerkmal ist tatsächlich, dass er immer gleich klingt. Ein genialer, kolossaler Mensch bleibt er dennoch, überquellend vor genialen Einfällen und Talent. Ein starkes Album und die längste Reimkette 2015 stammen aus seiner Feder.
Text: Laurens Dillmann