Zusätzlich zum Kings of HipHop-Feature von MF DOOM haben wir auch den zugehörigen Kasten aus der JUICE #154 online gestellt. Anthony Obst geht dabei detailliert auf die verschiedenen Masken ein, die DOOM während seiner Schaffenszeit getragen hat.
»He wears a mask just to cover the raw flesh/ A rather ugly brother with flows that’s gorgeous.« Lange Zeit bevor die Maske im HipHop zum Selbstzweck wurde, trug ein Mann sein Exemplar als unverzichtbaren Teil seiner Darbietung. Nach seiner Neuerfindung als MF DOOM, verschmolz das Rap-Alter Ego des Daniel Dumile mit seinem eisernen Gesichtsschmuck, den er sich als explizites Statement gegen die Industrie, und von seiner Liebe zu Comicbüchern geprägt, aneignete. Mit diesem Kunstgriff und der einhergehenden Verkörperung des kompromisslosen Rap-Bösewichts setzte DOOM neue Maßstäbe.
Der Prototyp
Die allererste DOOM-Maske entsteht im Jahr 1999, mit freundlicher Unterstützung des mittlerweile legendären Graffiti-Künstlers und Gestalters Blake »KEO« Lethem. Der als DOOM wiedergeborene Zev Love X trägt über die Visage gestülpt zunächst bei seinen tief im Untergrund angesiedelten Auftritten stilecht die gute alte Strumpfhose. Inspirieren lässt er sich dabei von den Anfängen des Ghostface Killah (siehe beispielsweise »Da Mystery Of Chessboxin« Video). KEO ist bereits seit 1996 an DOOMs Projekt beteiligt, feilt mit dem Rapper am Artwork für »Operation:Doomsday.«
Für die ersten Videoaufnahmen zu »?« und »Dead Bent« soll eine distinktivere Maske her. Die Orientierung am Doctor Doom-Vorbild aus den »Fantastic Four« soll deutlich gemacht werden, wenn sich DOOM zum ersten Mal einem potenziell größeren Publikum stellt. Der Weg zur Maske führt über die Halloweenkostüm-Abteilung. DOOM und KEO besorgen für schlappe $2 eine Darth Maul-Maske aus Plastik mit Gummiband. KEO schneidet die Form zurecht, sprüht Aluminium-Farbe drüber und fertig ist der Prototyp.
Modell Gladiator
Der nächste Meilenstein, der ein Maskenupgrade verlangt, ist eine Show vor großem Publikum im BB Kings. Wir schreiben noch immer das Release-Jahr von »Operation:Doomsday.« Die arschcoolen Videos und das bahnbrechende Album auf Fondle Em Records entfalten ihre Wirkung. Bevor das Konzert ansteht, gehen KEO und DOOM quasi also wieder auf Pilzsuche.
Man treibt eine originalgetreue Nachmache des Gladiator Helmes auf. Den stacheligen Kopfschutz trennt KEO ab. Dann bringt er den Helm zu einem befreundeten Metallbildhauer. KEO überliefert die Blaupausen, hilft im Anschluss noch bei einigen Feinschliffen und stopft die fast-Maske schließlich aus mit einer Polsterung, die er einem Bauarbeiter-Helm entnimmt. Vier Kilogramm Chrom und Stahl sind von nun an Daniel Dumile bei ausnahmslos allen öffentlichen Auftritten wie ans Gesicht gewachsen.
Von Ikonografie zu Hagiographie
DOOMs modifizierte Gladiator-Maske wird zum Kult. Bedeutendster Grund dafür ist wohl das ikonografische Cover für »Madvillainy.« Das Werk des langjährigen Stones Throw-Art Directors Jeff Jank hat in ihrem Dasein schon so einige Junggesellen-Wände geziert. Das Album brennt sich wie wahrscheinlich kein anderes in die Köpfe einer Demographie ein, die von Massenware-HipHop zum Nahtod gelangweilt ist. Es sollte Generationen überdauern. Den Rohbau für das Cover liefert eine schwarz-weiß Aufnahme des Fotografen Eric Coleman.
Janks Vision ist es, das Bild seines neusten Schützlings und Kollaborateurs nachhaltig zu prägen. Er will die DOOM-Figur in der Realität abbilden; das Faktum einfangen, dass es da diesen Typen gibt, der sich der Öffentlichkeit nur mit einer Metall-Maske zeigt, leicht übergebeugt und erschöpft dreinschauend, und ihre bedrohliche Erscheinung mit erkennbarem Frust ausfüllt. Coleman schießt das Foto und Jank erkennt darin die Möglichkeit, eine einprägsame Großaufnahme des Kopfes als Cover zurecht zu schneiden. Vorbild ist für ihn bei dieser Idee das schreiende rote Gesicht, welches die Plattenhülle von King Crimsons »In the Court of the Crimson King« ziert.
Bis zum Release von »Madvillainy« ist DOOM selbst eingefleischten Diggern noch weitestgehend ein Mysterium. Das Album setzt seinen Stempel auf alles, was danach kommt– eingeschlossen die Cover des übergewichtigen Untergrund-Zorro, die von nun an stets die Maske als DOOMs unverkennliches Markenzeichen aufgreifen. Das »Madvillainy« Cover gibt dem Mann ohne Gesicht ein Gesicht und macht ihn unsterblich.
Die Spiegelmaske
Obwohl DOOM karrierebegleitend seiner Gladiator-Maske treu bleibt, entsteht für den Dreh zu JJ DOOMs »BOOKHEAD« Video ein alternativer Gesichtsschmuck. Steve »Espo« Powers wird für das JJ DOOM-Projekt als kreativer Kopf an Land geholt. Das Verhältnis der Beiden reicht Ewigkeiten in die Graffiti-Szene zurück. Espo entwirft für DOOM eine neue Maske, die eigentlich schon zur Veröffentlichung des Albums hätte verwirklicht sein sollen. Als Basis dient Espo ein handeslüblicher Überwachungsspiegel aus dem Supermarkt, den er DOOM in die Kapuze integriert. Konzeptuell hält die Maske dem Zuschauer buchstäblich den Spiegel vor. Sie zeigt, wer in DOOMs Versteckspiel eigentlich immer der Angestarrte ist. Und wirft die Welt, die ihn so entfremdet, dem Zuschauer gebrochen zurück.
Text: Anthony Obst