Kings of HipHop: Common // Features

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Common ist einer der kontroversesten Rapper, die das Genre je hervorgebracht hat. Klingt komisch, ist aber so. Als Speerspitze der Conscious-Rap-Bewegung, die immer mehr fiktives Konstrukt als echtes Movement war, lobte man ihn für seinen positiven HipHop-Ansatz über Jahre hinweg in den Himmel. Dass er dabei in etliche Fettnäpfchen trat, die anderen die ganze Karriere gekostet hätten, macht Common nur zu einer noch helleren Lichtgestalt des Genres. Diese Ambivalenz zieht sich durch sein Leben, wie auch durch sein künstlerisches Schaffen. Dabei macht Common eigentlich stets das Gleiche: Er rappt – mal als ­Denker, mal als Prolet, mal als Weichei, mal als Haudruff, dann probiert er mal etwas aus und erkennt auch mal, dass das nicht das Wahre ist. Kurzum: Er ist er selbst. Er ist der 40-jährige Lonnie Rashid Lynn aus ­Chicago, der seit 20 Jahren mit I.H.R. in guten wie in schlechten Zeiten zusammen ist.

Als der 21-jährige Lonnie Rashid Lynn im November 1993 »Midnight Marauders« in die Hände bekam, war er frustriert. Sein Porträt hatte es nicht auf das legendäre Cover des dritten Tribe-Albums geschafft. Lonnie war enttäuscht. Newcomer wie The Pharcyde, Souls of Mischief und Busta Rhymes glotzten ihn neben den Altmeistern Afrika Bambaataa, Kool Moe Dee und Beastie Boys sowie den Tribe-Kumpels De La Soul, Jungle Brothers und Daddy-O an. Scheiße, sogar Diddy war auf diesem Cover. Ein Jahr zuvor hatte er als Common Sense sein Debüt »Can I Borrow A Dollar?« veröffentlicht und sah sich als Teil der zweiten Native-­Tongue-Generation, in einer Tradition mit ­Tribe und De La, die Rap mit Mehrwert machten, anders waren und das auch sehr gerne sein wollten. Genau das wollte Common auch. Das Problem: Sein Debüt wurde kein »Illmatic«, sondern allenfalls eine Ansammlung unterhaltsamer Popkultur-Referenzen auf zeitgemäßen Boombap-Beats. »Can I Borrow A Dollar?« war umfassend mit einer Textzeile aus »Take It EZ« auf den Punkt gebracht: »I’m a Dr. Pepper, wouldn’t you like to be a Pepper, too?/Steppin’ through, yodel-ay-hee-hoo/Oui oui mon cheri, a comment allez-vous?« Es war unausgegoren, ein bisschen peinlich und so harmlos wie ein Paparazzi-Bild von Wiz Khalifa am Strand. Common war ein Gimmick-Rapper mit guten Ideen, großen Ambitionen und mittelmäßiger Durchsetzungskraft, den sein Produzent No I.D. (damals noch ­Immenslope) auf seinem eigenen Scheiß killte.

Common hatte sich das anders vorgestellt, nachdem er mit seinen Homies Corey und Dion in seiner Chicagoer Nachbarschaft die Gruppe CDR gründete, das Rap-Ding nach den ersten Gehversuchen ernster nahm, die Leute daheim auch jenseits der 87th Street von seinem Talent sprachen und er schließlich im Oktober 1991 in der »Unsigned Hype«-Kolumne der »Source« auftauchte, als das noch was bedeutete. »The Source« attestierte ihm Talent und Vermarktbarkeit als »package with the potential to attract a wide variety of audiences from all regions without losing the hardcore crowd«. Nun ist es ja immer so eine Sache, wenn Musik­journalisten Gleichungen mit Talentvoraussetzung und Erfolgsprognose erstellen. Die Aussicht auf eine breite Zielgruppe war eine Farce – mit Benz und Backpack brauchte man Mitte der Neunziger nicht kommen. Im sich gerade umfassend verkommerzialisierenden Rap-Geschäft standen die Zeichen auf klare Markenführung. Doch Common pochte mit teils überbordender Beharrlichkeit darauf, dass er eben nicht nur der besonnene »Scholar« war, obwohl er sich etwa auf »Confusion« (mit Just Ro als »Hustler«-Gegenstück) genau dazu selbst stilisierte. War er auch nicht. Er soff, hurte rum und prügelte sich, aber kümmerte sich eben auch um den Einser-Durchschnitt in der Penne. Auch wenn Common Zeit seines Künstlerlebens stets auf der Abgrenzung in der Außenwahrnehmung zwischen dem Rapper Common und dem Menschen Lonnie Rashid bestand, hatte er selbst die größten Schwierigkeiten mit der Unterscheidung. In der Brust von Rashid, dem Sohn einer religiösen Uni-Professorin und eines auf die schiefe Bahn geratenen Ballers, pochten zwei Herzen – sollte dafür in der Künstlerpersona Common etwa kein Platz sein?

Resurrection

Debüt-Nachfolger taugen in den seltensten Fällen für eine Wiedergeburt. Es sei denn, sie fühlen sich wie ein Debüt an. 1994 veröffentlichte Common »Resurrection« und fand seine künstlerische Bestimmung, die ihm seine über zwei Dekaden tragende Relevanz sicherte: Rap als Soulmusik, in der zwischen Spiritualität, afroamerikanischer Tradition und Rap-Dogmen alles passieren kann, was mit einem gesunden Menschenverstand (»Common Sense«) zu vereinbaren ist. Dazu folgte auf das kindlich verspielte Debüt einer der eindrucksvollsten Altherren-Moves der Rap-Geschichte. In der Rückschau ist der Track »I Used To Love H.E.R.«, der Genre-Abgesang aus dem Jahr, in dem »Illmatic«, »Ready To Die« und »Southernplayalisticadillacmuzik« erschienen, an Absurdität nicht zu überbieten. Für alle, die HipHop als logische Weiterführung der ­afroamerikanischen ­Bürgerrechtsvergangenheit im Sinne von Chuck Ds »Black CNN« sahen, war Commons Grabrede eine Offenbarung. Wie viel das wert war, wurde Common mit der Logik des neuen, endgültig marktorientierten HipHops vor Augen geführt. Ein blutjunger Kanye West verkündete in einem freundschaftlichen Radio-Freestyle-Battle 1996 das Urteil über das Jahre später zum Stammtisch-Klassiker erklärte Album, den gewonnenen Beef gegen die gefährlichsten Typen AmeriKKKas und die endlich gefundene Künstleridentität in Reimform: »If you was ­really cold/why the fuck did Crucial Conflict go gold/and you only sold a hundred copies – to your boys?« Touché. Es ist eine amüsante Randnotiz, dass Kanye Common bereits so früh ein so klares Feedback auf sein Schaffen gab. Sollte er doch Jahre später einer seiner wichtigsten Berater werden.

Die Geschichte von Common ist auch immer die Geschichte der Künstler, die ihm nahe standen. Da wäre etwa die zur Kräuterhexe degradierte Erykah Badu, über die Common bis heute kein schlechtes Wort verloren hat, obwohl viele Fans und Freunde die gemeinsame Ehe als faustischen Pakt sahen. Common bezeichnet die Beziehung auch heute noch als Segen und Chance für eine echte »spirituelle Transformation«. Allen eklektischen Fauxpas zum Trotz verdankt Common ihr dennoch seinen einzigen »Hit« (und dazu eines der schönsten Rap-Hochzeitslieder überhaupt) – »The Light« hat er für Erykah geschrieben. Auch wenn ihn die Ehe nicht zum André 3000 machte, sind die musikalischen Ergebnisse dieser Zeit in der Rückschau über die meisten Zweifel erhaben. Wäre der Großteil der Songs auf »Electric Circus« doch nur halb so spontan und unverkopft gewesen wie das Ende der Beziehung – Erykah machte nach zwei Jahren Ehe aus heiterem Himmel am Telefon Schluss: »I don’t want to be with you ­anymore. I like somebody else.«

Spontaneität und Freigeistigkeit schrieb man auch bei einem der schönsten Abenteuer der HipHop-Geschichte, den Soulquarians, groß. Jenem sagenumwobenen Künstler-Klüngel, der Rap Ende der Neunziger in Jimi Hendrix’ New Yorker Electric-Lady-Studios eine echte Seele gab. An dem Ort, an dem Curtis Mayfield »Superfly« und später The Roots, D’Angelo, Erykah Badu und Common parallel ihre wegweisenden Alben für das Major-Label MCA Records aufnahmen, formierte sich mit weiteren Über-Talenten wie ?uestlove, Bilal, James Poyser, Jef Lee Johnson und Roy Hargrove eine Künstlerkommune, die genreübergreifend nach Vergleichbarem suchte. In Form einer weißen Katze soll dort der Geist von Jimi Hendrix nach dem Rechten gesehen haben. Common war diese Erklärung immer zu banal: »Ich glaube, sie ist Jimi. Wenn sie in den Raum kommt, während deine Musik läuft, und chillt, dann weißt du, dass du alles richtig gemacht hast«, sagte er einmal im JUICE-Interview. Heute weiß man: Jimi chillte zu der Zeit sehr viel. Mit ihrem organischen Sound voller Liebe zu Details schufen die Soulquarians einen Gegenentwurf zu miesem R&B, uninspiriertem Pop und horizontlosem Rap. Und gingen schließlich als zu heiß gelaufene Kreativfabrik in Rauch auf. Wenn auch mit einem wunderbaren Knall als Backpacker-Bukkake-Feuchttraum in Form der »Block Party« von Dave Chapelle. Der frisch geschiedene und von der Negativ-Rezeption seines »Electric Circus«-Album geschockte Common mittendrin.

Erstaunlich ist, dass der hauptverantwortliche Produzent so völlig unbeschadet dem »Electric Circus«-Politikum entkam. Es liegt wohl daran, dass J Dilla, laut Common, »ganz im Stillen kulturelle Berge versetzen kann«. Bewiesen hatte er es auf »Like Water For Chocolate«, bei dem er federführend alten Soul, neue Attitüde und zeitlose Drums zu einer Standortbestimmung afroamerikanischer Wirklichkeit zwischen Harlem Renaissance, Jim-Crow-Ära und Prä-Obama-Träumen verquickte. Mit Dilla lebte Common in den Monaten vor dessen Tod in Los Angeles in einer WG zusammen, seine Genialität wusste er bereits in den Credits des Meisterwerks – lange vor allen anderen – zu würdigen: »You are the revolution for a new sound in hip hop and music in general. You are one of the most gifted composers of our time.«

Es war diese Wahrheit, die Commons Alben »Be« und »Finding Forever«, die beide Kanye West orchestrierte, zu ihrer Größe verhalf. Kanye West war darauf so nah an Dilla wie nie zuvor und nie wieder danach. In einem Meeting soll Steven Spielberg Kanye erzählt haben, dass er bei seinem Film »A.I.« so Regie führte, als hätte Stanley Kubrick die Geschichte erzählt. Das soll Kanye die Inspiration gegeben haben, Commons Alben so zu produzieren, wie es Dilla getan hätte. So rettete Kanye Common vor sich selbst und seine Karriere gleich mit und zeigte ihm nebenbei, dass die Mischung aus Bravour und Bravado – auch als »College Dropout« – einen tatsächlich zum Superstar machen kann. Klar, ohne Kanye kein »Be«, also kein »Career Changer« und junger Klassiker. Aber ohne Kanye eben auch keine ­wiedergefundene Liebe zu HipHop, kein rotzfrecher und übertalentierter Bengel, der das Allerbeste aus dem orientierungslosen Rapper herausholt, keine G.O.O.D. Music.

Allen voran drückte natürlich No I.D., der vom lokalen House-DJ zum einzigen relevanten Retro-Boombap-König und schließlich Def-Jam-Präsidenten wurde, Common seinen Stempel auf. Wie sehr die beiden in einer Tradition mit den großen Duos wie Guru & Premo, Polo & G Rap, C.L. & Pete Rock stehen, offenbarte sich Jahre später, als No I.D. Common für »The Dreamer/The Believer« ein so klassisches wie zeitgemäßes HipHop-Gewand auf den Leib schneiderte, als hätte Premo bei Kanye Nachhilfe bekommen. Natürlich war No I.D. immer mehr als nur Produzent. Er war Mentor (sowohl für Common als auch Kanye), ausführende kreative Kraft, Vater- und Bruder-Ersatz, dabei nie Bittsteller (nach »Resurrection« sagte er aus Loyalität Beat-Anfragen von Biggie, Ghostface und Big Pun ab), sondern stets ein künstlerischer Pacemaker und ehrliche kritische Instanz. Für Common, der gerne mal Räucherstäbchen für Zauber­stäbe, Wah-Wah-Pedale für den Schritt zum Eklektizismus und ein »Planet Rock«-Zitat für die Eintrittskarte in europäische Clubs hält, war No I.D. Gold wert. Auch wenn er ihn von etlichen Geschmacksverirrungen nicht abhalten konnte.

Why you wanna go and do that?

Die Liste der Peinlichkeiten in Commons Karriere reicht eigentlich für eine ganze »ego trip’s Book of Rap Lists«-Enzyklopädie. Die gehäkelten Mützen, der Drake-Diss, die Love-Songs, die Stilisierung als schwuler Jedi-Ritter auf dem Cover von »Finding ­Forever«, die homophoben Lines, Zeilen wie »I’m the only cat in hip-hop that can go to a thrift shop/bring that get-up to the ghetto, and get props«, die päderastischen Balztänze bei seinen Live-Shows, der Film »Just Wright« mit Queen Latifah, die menschenverachtende Ablehnung ­gemischtrassiger Beziehungen, betrunken aus dem Koran zitieren, die Muttersöhn­chenerei, das Spiritualitäts­gefasel, »Universal Mind Control« und und und. Tatsächlich gelang es Common jedoch ein ums andere Mal, seine Fehlbarkeiten in das logische Konstrukt seiner Menschlichkeit zu integrieren – ein James-Baldwin-Zitat, ein Gordon-Parks-Foto, Kinderbücher und ein charmantes James-Bond-Lächeln halfen dabei natürlich. Zudem war Common stets lebender Beweis dafür, dass ehrliche künstlerische Ambitionen echte Banalitäten eben auch mal verzeihen. Im Epilog seiner Memoiren schreibt Common: »Das Problem mit der Schublade ‘Conscious Rapper’ ist die Annahme, das sei alles, was du bist. Daneben kannst du nicht auch ein komplexes, mit Fehlern behaftetes Individuum sein. Nur weil ich Songs schreibe, die sensibel sind, heißt das nicht, dass ich ohne Fehler bin und dass ich im Laufe meines Lebens nicht weiterhin Fehler machen werde.«

»Common möchte Platten verkaufen. Er will nur unter allen Umständen vermeiden, dass man ihm diesen Wunsch anhört. Deswegen macht er ein Album wie ‘Electric Circus’, weil er, wenn es floppt, immer sagen noch kann, dass er kreativ war.« Die Einschätzung von No I.D. klingt harsch, liefert aber die tatsächliche Erklärung dafür, dass sich Common mit seiner selbstauferlegten Erwartungshaltung immer nur selbst im Weg stand. Das ewige Schnittmengenproblem von Kunst und Kommerz lud sich Common mit seinen Vorstellungen von Erfolg selbst auf die eigenen Schultern. Jay-Z brachte die Misere, die tausendfach vom Feuilleton und millionenfach von Kulturapologeten durchdekliniert wurde, bei seinem »Moment Of Clarity« auf den Punkt: »Truthfully, I wanna rhyme like Common Sense/but I did five mil – I ain’t been rhymin’ like Common since.« Im HipHop liefert der Teufel die Dollarbündel, positiver Rap ohne Misogynie, Monetarismus und Machismen verkauft sich nicht. Basta.

Mittels Chartplatzierungen liefert Common das beste Argument dafür – in seiner 20-jährigen Karriere platzierte er keinen einzigen Solo-Track in den Top 40. Mit Hilfe der »Forbes«-Liste der HipHop-Besserverdienenden serviert er aber auch den Beweis, dass es das gar nicht braucht. 2008 teilte sich Common mit Eminem und Akon den 13. Platz im Kapital-Ranking – er machte zwölf Millionen in diesem Jahr. Wohlgemerkt ohne eigene Schnapsmarke, Klamottenfabrik, Sublabel-Briefkastenfirma oder Kopfhörer-Linie. Common war nie ein Entrepreneur im Diddy’schen Sinne. Als die ganzen Kollegen in Schuhe, Filmfirmen, Pornos und all den anderen Kram machten, ist er immer Künstler geblieben und hat sich in erster Linie selbst vermarktet. Sein Image als smooth-kantiger Halb-Intellektueller half ihm dabei. Er warb für Chevrolet und GAP, spielte auf Dom-Perignon-Partys und sorgte auf den roten Teppichen Hollywoods für Fremdscham, strahlte dabei aber vor Freude. Die eigene Nonprofit-NGO Common Ground ­Foundation, die vegane Lebensweise, die drei von ihm verfassten Kinderbücher, der PETA-Aktivismus und die freundschaftliche Nähe zu makellosen Mainstream-Größen wie Oprah, Dr. Maya Angelou und natürlich der Familie Obama schärften daneben sein Profil als Celebrity mit Gewissen. (Und im Fall von Obama auch mit Weitblick: Auf Jadakiss’ »Why«-Remix war er 2004 der allererste Künstler, der Barack Obama, dem ­vielversprechenden Jungpolitiker aus ­Commons Chicagoer Kirchengemeinde, seinen Segen gab.)

Common selbst hat sich freilich immer viel subversiver gesehen, als er es tatsächlich war. Einfach nur ein doper Rapper sein – das entspricht nicht seinen eigenen Erwartungen. Dabei war er genau dann, wenn er sich nicht zwanghaft zum Conscious-MC als Sprachrohr seines Volkes stilisierte, der Rap-Prototyp ohne Beanstandungen und eben nicht eine Karikatur mit der Radikalität eines Politikwissenschaften-Erstis, dem Modegeschmack eines jugendlichen Mitläufers und dem Selbstbewusstsein eines mittelmäßigen B-Movie-Schauspielers. »I’m the truth, across the table from corporate lies/immortalized by the realness I bring to it/if revolution had a movie, I’d be theme music/my music, you either fight, fuck, or dream to it«, rappte Common einst auf »The 6th Sense« und offenbarte, welche »Wahrheit« und »Realness« in seinem Kosmos zwischen Gesellschaft und Revolution mäandern. In einem zumindest tat es Common seinen erklärten Helden John Coltrane und Miles Davis gleich: Über Common spricht man kaum mit Songs, über Common spricht man mit Alben.

One Day It’ll All Make Sense

Wahrscheinlich fühlte sich ­Common in ­seiner Subversivität ein wenig ­bestätigt, als der Meinungshammer des rechtskonservativen Amerika im ­Frühsommer 2011 mit ­voller Kraft auf ihn niederging. Auf die ­Einladung Michelle ­Obamas zu einer ­Dichterlesung im Weißen Haus folgte ein Aufschrei ob ­Commons Vergangenheit als ­unberechenbarer ­Rapper, der Polizistenmörder verehrt (Assata Shakur), Präsidenten töten will (»Burn a bush«) und Waffengewalt ­verherrlicht (»My Uzi weighs a ton«). Der ewige ­Musterknabe positiven ­HipHops war für 15 Minuten der amerikanische Albtraum. ­Natürlich war das eine dumme ­Fehleinschätzung, aber dennoch bezeichnend für die Realität ­der ­missverstandenen Radikalität, in der sich Common als Künstler bewegte.

Bei all der Abgrenzung – ob selbst ­gewollt oder von außen aufoktroyiert – stand ­Common eigentlich nie woanders als in der Mitte. Bereits 1997 warb Relativity Records in einer Anzeige für Commons »One Day It’ll All Make Sense« mit dem Slogan »’Cause the one who’s in the middle is the one who sees the most«. Selbstverständlich war das – im Verbund mit No I.D.s einziger Solo-LP ­»Accept Your Own And Be Yourself (The Black Album)« – auf die Heimat Chicago bezogen. Aber es war auch ein Verweis auf seine soziale Herkunft, dort wo ­Alltagsprobleme den Ton angeben und man sich dank des Rettungsschirmes der Gutbürgerlichkeit den nicht-essenziellen Themen widmen oder auch mal ohne große Fallhöhe ein bisschen über die Stränge schlagen kann. Ein JUICE-Cover-Interview beschloss Common mal mit folgenden Worten: »Ich persönlich denke, dass der Weg, der mich zur Unsterblichkeit führen kann, der Weg des Herzens ist. Ich muss meinem Innersten folgen, um zu wachsen und Liebe verbreiten zu können.« So platt und hobby-esoterisch die Aussage klingen mag, so froh können wir sein, dass HipHop aus Commons Herzen nie ­verschwunden ist.

Text: Alex Engelen

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