»Ich tue mich wirklich schwer damit, auf Deutsch zu schreiben.« // Joy Denalane im Interview

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Ein bisschen klein und unwürdig fühlt man sich schon, wenn man auf die Grande Dame des deutschen Soul wartet, in einem dieser typischen Styler-Cafés, zwischen restaurierten Sperrmüll-Möbeln und echtem Kachelofen. Freelancende Mittdreißiger hocken in V-Ausschnitt-Kaschmirpullis hinter ihren MacBooks, lassen fair gehandelten Espresso kalt werden und tun überzeugend so, als hätten sie was zu tun. Joy Denalane wartet auf ihren im Pressetext so betitelten »Ex-Ex-Mann« Max Herre, der ein paar Minuten zu spät kommt, weil er erst noch die Kinder absetzen musste. Max bestellt Kaffee, Joy beißt in ein Ciabatta-Sandwich. Man stellt kurz anerkennend fest: Sie ist tatsächlich die schönste Frau der Welt. Jedenfalls in diesem Moment, an einem verregneten Dienstag im Osten Kreuzbergs. Ihr neues Album heißt »Maureen«.

Ein paar Momente später sitzen wir in der Altbauwohnung von Samon Kawamura, der zusammen mit Max und dem Jazz-Pianisten Roberto di Gioia das Produzententrio KAHEDI bildet. Zu dritt haben sie »Maureen« den letzten Schliff verpasst. Im Stile legendärer Musikerkollektive wie den Mizell Brothers, The Ummah oder Soulquarians agiert das Trio irgendwo zwischen Legislative, Exekutive und Judikative, ohne dabei jemals das große Ganze aus dem Sichtfeld des dritten Auges zu verlieren. Joy selbst hat sich diesmal verstärkt auch hinter den Kulissen eingebracht – seit ihrem Platin­debüt »Mamani« vor knapp zehn Jahren ist sie als Sängerin und Künstlerin, aber auch als Mensch gereift. Auf die Hochzeit mit FK-Frontmann Herre folgten zwei Kinder und 2007 die für die Öffentlichkeit überraschende Scheidung, im Laufe des Jahres 2010 näherten sich die Soul-Queen und der Rap-Maestro jedoch wieder an – zunächst künstlerisch, dann auch persönlich. »Maureen« erzählt von all diesen Entwicklungen, ohne künstliches Pathos und ohne ihre Beziehung einer voyeuristischen Nabelschau preiszugeben. Dafür mit Emotion, Intelligenz und enormer musikalischer Weitsicht.

Die augenfälligste Veränderung zum letzten Album »Born & Raised« ist, dass du wieder auf Deutsch singst. Wie ist diese Entscheidung in dir gereift?
Ich hatte angefangen, die Platte auf Englisch zu schreiben und aufzunehmen. Immer wieder wurde ich nach dem Grund gefragt, auch von Freunden und Familienmitgliedern. Ich hatte darauf immer das Argument, dass es mir leichter fällt. Ich tue mich wirklich schwer damit, auf Deutsch zu schreiben. Aber so viele Menschen haben mich darauf angesprochen, dass ich mich schließlich zumindest darauf eingelassen habe, es mit dem Übersetzen mal zu versuchen. So kam auf der Arbeitsebene auch Max wieder ins Spiel, weil ich ihn gefragt habe, ob er mir dabei helfen kann. Und irgendwie hat es funktioniert. Ich war selbst ganz erstaunt. Vor allem, weil wir ja schon bei »Born & Raised« versucht hatten, etwas zu übersetzen, und das hatte gar nicht funktioniert. Vielleicht aber, weil die Bereitschaft nicht vorhanden war. Aber es funktioniert ganz offensichtlich, wie »Maureen« jetzt zeigt.

Nun ist mit »Happiness« nur noch ein englischsprachiges Stück auf der Platte.
Das ist ein Cover von der Funk-Band Heatwave, und ich hatte tatsächlich kurz überlegt, ob man so etwas übersetzen sollte, aber mich dagegen entschieden. Ich hatte es ja gerade deshalb gecovert, weil es mir so gut gefallen hat.

Zu Beginn deiner Laufbahn hast du englischsprachig getextet, erst bei der Arbeit an »Mamani« hast du durch den Umgang mit deutschem HipHop auch die deutsche Sprache neu entdeckt.
Genau. Ich hatte ja auch ein ganz anderes Team und andere Einflüsse um mich herum, nicht zuletzt durch Freundeskreis und den Dunstkreis. Ich war da ja durch das gemeinsame Touren sehr involviert. Dann gab es diesen Deal mit Four Music und ich war ja auch schon sehr involviert mit Max. (lacht) Deswegen haben wir entschlossen, es auf Deutsch zu probieren, auch weil es das damals noch nicht wirklich gab. Jedenfalls nicht in diesem Soul- und HipHop-Kontext, nach meiner Erinnerung. Also haben wir uns drangemacht. Das war für mich ein harter Weg. Ich musste meine Hörgewohnheit komplett umstellen, um den Textzeilen eine Melodie und Seele zu verleihen. Aber letztlich hat das dann ganz okay funktioniert, dachte ich.

»Mamani« ist vor neun Jahren erschienen, jetzt kommt erst dein drittes Album. Ist diese Zeitspanne deinem Arbeitsrhythmus geschuldet?
(lacht) Also, wir haben ja Kinder. Und Max, der Vater der Kinder, macht schließlich auch Musik. Daher war immer klar, dass wir uns abwechseln. So ein Familienleben schluckt natürlich Zeit. Aber eigentlich habe ich mich die ganze Zeit um diese Platte gekümmert und daran gearbeitet. Ich mache mir da einfach keinen Druck. Ich kann mich keinem Zeitdiktat unterwerfen, weil ich auch glaube, dass die Kunst drunter leidet. Ich will jetzt nicht sagen, dass man nicht alle zwei Jahre oder sogar jährlich was Tolles machen kann. Aber ich habe das bisher einfach nicht hinbekommen und mich auch nicht weiter darum geschert.

Eine sehr komfortable Position.
Ja, privilegiert auf eine Art. Definitiv. Aber ich bin halt auch einfach ziemlich langsam. Bei mir dauert es sehr lange von der Idee bis zur Umsetzung, ich überlege sehr viel. Bis ich mich tatsächlich ins Studio stelle und an der Umsetzung arbeite, da vergeht eine ganze Zeit. Und ich bin auch noch ziemlich langsam im Studio. Bis der Song fertig ist, dauert es also noch mal sehr lange… (lacht)

Studierst du eigentlich noch?
Nein, leider nicht. Es war auch von ­vornherein klar, dass ich nur für ein Semester an die Uni gehen würde. Ich würde es aber immer wieder machen.

Du hast Germanistik und Literaturwissenschaft an der FU Berlin studiert. Hat dir das was für deine Texte gebracht?
Leider nicht. (lacht) Dafür müsste man kreatives Schreiben belegen, wir haben uns eher mit Literaturtheorie und -wissenschaft beschäftigt und mit all den Instrumenten, die man braucht, um Texte zu analysieren, aber nicht mit dem Schreiben an sich.

Wie viel HipHop steckt in »Maureen« und der Person Joy Denalane?
Hundert Prozent – so viel HipHop steckt in mir. In jedem Beat auf dieser Platte steckt HipHop. Für mich sind HipHop, Soul, Funk und R&B die Quellen, aus denen ich mich nähre. Das sind die Musikrichtungen, die mich sofort bewegen, die mich körperlich richtig einnehmen. Und auch auf der Platte war es mir wichtig, dass man immer dieses Headnod-Gefühl hat. Ich mag halt das ­roughe Zeug, diesen alten Wu-Tang-Sound. Den verbinde ich auch immer direkt mit Soulmusik, wegen der Samples.

Auf der letzten JUICE-CD war deine Single »Niemand« in einer Rap-Version mit Megaloh, Max und Samy Deluxe.
Ja, ich feiere Megaloh extrem ab. Er ist ein MC, der nicht nur gute Texte oder eine gute Rhyme-Technik, sondern einfach Soul hat. Ich achte gar nicht so sehr auf Technik bei einem MC, sondern eher darauf, was er an Gefühl transportieren kann. Megaloh ist ein deeper MC, mit einer präsenten, massiven Stimme – da kommt man nicht dran vorbei. Trotzdem finde ich ihn dabei relativ filigran, das gefällt mir. Ich war auch immer ein riesengroßer Max-Fan. Das erste deutschsprachige Rap-Lied, das ich als musikalisch relevant akzeptiert habe, war »Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte«. Das habe ich damals im Radio gehört, in der Küche meiner ersten eigenen Wohnung. (lacht) Und Samy ist natürlich auch ein sehr virtuoser MC, dazu muss man nicht viel sagen. Ich fand einfach die Kombination toll.

Auf dem Echo hast du den Song dann mit Marteria performt.
Ja, ich mag Marteria. Wir haben ihn auch viel gehört, weil unsere Kinder totale Fans von ihm sind. Es gibt Songs von ihm, die ich ganz toll finde, z.B. »Louis« oder »Endboss«.

»Niemand« ist einer der wenigen sozial­kritischen Songs auf einem ansonsten sehr persönlichen Album. »Maureen« ist ja dein zweiter Vorname, aber es gibt auch noch eine Geschichte dahinter…
Ja, es gab diese Frau namens Maureen, eine Südafrikanerin, die mit meinem Vater verlobt war – seine erste große Liebe, die er auch heiraten wollte. Mein Vater war damals 23, aber alles hat sich ganz anders entwickelt. Er hat meine Mutter kennen gelernt und sich für ein Leben in Deutschland entschieden, sie blieb zurück in Südafrika. Meine Mutter wusste aber von dieser Maureen, und als ich – die erste Tochter – geboren wurde, hat sie mich nach dieser Frau benannt. So bin ich zu diesem Namen gekommen. Meine Mutter gehörte halt zu den ganz coolen Frauen, die immer wieder eine unglaubliche Größe an den Tag gelegt haben. Sie war sehr aufopferungsbereit und sah sich selbst nicht im Mittelpunkt, sondern hat immer im Sinne der Beziehung und der Familie gehandelt. Jedenfalls muss diese Maureen immer noch eine Rolle im Leben meines Vaters gespielt haben, sonst hätte sie diesen Namen nicht aufgenommen und dann auch noch der lange herbeigesehnten Tochter gegeben – sie hatten ja vor mir zwei Söhne bekommen. Da waren schon einige Jahre ins Land gegangen seit der Beziehung zwischen Maureen und meinem Vater. Ich glaube, dass mein Vater das so toll fand, dass er sie noch mehr geliebt hat. Ich weiß nicht, ob ich selbst diese Größe hätte.

Lasst uns über die musikalische Entstehung der Platte sprechen. Ist es so, dass »Maureen« komplett von KAHEDI produziert wurde?
Nein. Man kann sagen, etwa 50 Prozent wurden von KAHEDI produziert. Ich bin diesmal selbst in die Produktion von Songs eingetaucht, wie ich es vorher nie gemacht habe. Ich habe alleine ausgewählt, welche Songs ich machen will, habe sie mit Sékou [Neblett, Ex-Freundeskreis, Anm. d. Verf.] geschrieben und bin dann rüber nach Philly.
Dort habe ich die Hälfte der Platte aufgenommen und produziert. Durch die Arbeit an »Born & Raised« waren Kontakte zu Musikern aus der dortigen Szene entstanden, die ich jetzt wieder genutzt habe, zu Leuten wie Steve McKie, Ant Bell, Larry Gold und Tone Whitfield. Wir haben viel in dem Studio gearbeitet, wo auch The Roots aufnehmen. Dann bin ich nach New York gefahren, wo wir die Platte mit Jason Goldstein gemischt haben. Und am Ende kam uns in Deutschland die Idee, die Platte zu übersetzen, dabei sind bestimmte Songs runtergeflogen oder durch andere, neue Songs ersetzt worden.
Max Herre: Was wir als KAHEDI diesmal gemacht haben, würde ich »Executive Production« nennen. Wir haben der Platte eine Form und eine Struktur gegeben.

Inwieweit spielt denn die private Entwicklung zwischen Max und dir eine Rolle für die Entstehung der Platte?
Inhaltlich spielt meine Vergangenheit der letzten drei, vier Jahre eine sehr große Rolle. Das ist mir selbst erst bewusst geworden, als die Platte kompiliert war und ich sie mal komplett durchgehört habe. Da merkte ich, dass ich darauf schon einiges verarbeitet habe. Ich sehe es als großes Privileg, seine Gefühle als kreativer Mensch verarbeiten zu können. Ich hoffe, es war nicht zu reißerisch, was ich da geschrieben habe, sondern eher so, dass es meine Gefühlswelt spiegelt.

Max hat in der Zeit eurer Trennung eine Soloplatte gemacht, auf der er die Beziehung zu dir subtil thematisiert hat. Was hast du gedacht, als du sie zum ersten Mal gehört hast?
Vielleicht kann man es so sagen (wendet sich zu Max): Ich fand, dass wir über zwei Dinge zu jedem Zeitpunkt gut sprechen konnten. Das waren die Kinder und die Musik. Deswegen hatte ich auch schon ein paar Songs gehört, bevor die Platte rauskam. Und in dieser Phase waren wir nicht zusammen. Manchmal hab ich geschluckt. Inhaltlich und emotional war das etwas, was ich erst mal verarbeiten musste, was er da erzählt hat. Rein musikalisch war »Ein geschenkter Tag« für mich eine brillante Platte, die nicht den Erfolg genossen hat, den sie verdient hat.
Max: Es geht weder bei meiner noch bei Joys Platte darum, etwas zur Schau zu stellen. Letztlich ist das die Art, wie wir Musik wahrnehmen und empfinden. Wir hören eben Soulmusik, die sich aus Gefühlen speist. Wichtig ist nur, dass man keine schmutzige Wäsche wäscht. Und dass man den Menschen in der Familie, für die man Verantwortung hat, gerecht wird.

 

Text: Stephan Szillus

 

Foto: Jackie Hardt

 

 

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