»Meine Musik ist so wie New York zum jetzigen Zeitpunkt klingen sollte« // Mr. Muthafuckin’ eXquire im Interview

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Den Kampf um Aufmerksamkeit entschied Mr. Muthafuckin’ eXquire im Frühjahr des Jahres zumindest für 3:54 Minuten für sich, als er das Video zu seiner Single »Huzzah« auf Blog-Reise schickte. Der Low-Budget-Clip, gefilmt von seinem Manager in seiner eigenen Wohnung in Brooklyn, porträtierte den Rapper als asozialen Nichtsnutz, der zwischen von den Kumpels angelieferten Olde-English-Bierpullen und von der gesäßstarken Frau frittierten Hühnchenschenkeln offensichtlich recht zufrieden vor sich hinvegetiert. Ein Typ mit goldenem Grill über den Zähnen fläzt in Holzketten und Native-Tongue-Gewand als Mischung aus Ol’ Dirty Bastard, Just-Ice und Professor X auf dem Sofa und macht dabei musikalisch irgendwas zwischen Danny Brown, Beanie Sigel und Company Flow. Ende September lieferte der 26-Jährige mit »Lost In Translation« seine Style-Ausrichtung aus silbenverliebtem Flow und ­Produktionen von Untergrund-Helden aus den Neunzigern wie El-P und Necro auf Mixtape-Länge.

An einem warmen New Yorker September­abend kamen jedenfalls eine Menge Menschen in das Chelsea Museum, um sich den 250-Pfund-Riesen (immerhin ist er fast zwei Meter groß) anzuschauen. Der Auftritt von Mr. Muthafuckin’ eXquire beim New Yorker Dunkxchange wurde frenetisch gefeiert. Hier trafen HipHop-Fans auf Hipster-Kids und Möchtegern-Coole auf wahre Sneakerheads. Und irgendwie schienen alle Gefallen an diesem langsam von einer Seite der Bühne zur anderen schreitenden Weirdo-Rapper zu finden. Einfach machte es ihnen der Brooklyner Hüne nicht: »My director got me buzzin’ like a fly catcher/Urban legend, fully automatic weapons/Go ahead, bitch, keep testing.« Außerdem erklärte sich Mr. Muthafuckin’ kurzerhand zum König von New York und bat jeden, der eine andere Meinung hat, auf die Bühne. Mr. Muthafuckin’ eXquire blieb für seine 20-minütige Show alleine vor dem Publikum.

Im ausgehenden Jahr 2011 scheint sich HipHop aus New York wieder auf seine Untergrund-Ressourcen besinnen zu können. Künstler wie Action Bronson, Meyhem Lauren, A$AP Rocky und Mr. Muthafuckin’ eXquire treiben mit Hilfe von in der Vergangenheit angelernten musikalischen Reflexen und dem Tropfen Swag der neuen Generation in der Masse nach oben. Wenn sich Lil B-Autismus und Def Jux-Drums paaren, dann kann man zumindest mal über das Etikett »generationsübergreifender Rap« nachdenken. Mr. Muthafuckin’ eXquire drückte mit dem Video für seinen »Huzzah«-Remix auch noch die richtigen Blog-relevanten Knöpfe, um seine 15 Minuten Ruhm online abzugreifen: Zwischen den »Pitchfork«-Lieblingen Das Racist, dem am besten rappenden Hipster-Rapper der Welt Danny Brown und dem untergrundigsten aller Untergrundler El-P behauptete sich eXquire mit Schwabbelbauch und Ledermütze zwischen zwei runden Damenärschen als grundsolider Keinen-Fick-Verteiler. Die Grenze zwischen anstoßen und anstößig ist im Hause Mr. Muthafuckin’ eXquire fließend. Sowieso ist eXquire ein Freund der Balance, wie er im Interview mit JUICE-Autor Amaury Feron unter Beweis stellte.

Früher warst du nicht als Mr. ­Muthafuckin’ eXquire unterwegs. Wie war dein alter Name?
Davor habe ich unter dem Namen Tru Gizzy gerappt. Ich war noch ein Kind und es hat sich einfach cool für mich angehört. Ich war 15 Jahre alt und der Name hat einfach gepasst.

Und wann hast du als eXquire ­angefangen?
Kurz vor der Veröffentlichung meines ersten Projekts »The Big Fat Kill«. Ich habe schon immer Rapper gemocht, die einen Namen hatten, der für etwas steht. Mr. Muthafuckin’ eXquire ist wie Yin und Yang. Das erste Wort »Muthafuckin’« ist sehr ignorant, eigentlich sollte man das nicht in den Mund nehmen. »Exquire« [engl. »Esquire«, auf Deutsch etwa: Edelmann, Anm. d. Verf.] steht für Prestige oder wird als Statustitel vor dem Namen ­genannt. Ich führe beide Worte zusammen, um eine Balance zu schaffen. Außerdem bin ich der Meinung, dass es sehr gut meine Musik repräsentiert. Ich bin einer, der Pointen auf eine ignorante Art und Weise bringt.

Mit deinem ersten Projekt hast du auch bei Major-Labels angeklopft. Dort ­wurdest du aber abgelehnt. Wer hat dein Talent nicht erkannt?
Das kann ich leider nicht sagen, aber ich halte es ihnen nicht vor. Lustig ist ja, dass ich wegen meines jetzigen Buzz im Internet von den gleichen Leuten wieder angerufen werde. Jetzt interessiert mich das aber nicht mehr.

Auf »Huzzah« rappst du: »Have to make sure to say the muthafuckin’«…
(unterbricht) Yeah. Natürlich. Das muss man immer dazu sagen. Ohne diese Wort bin ich gar nichts.

Hast du das von Lil Wayne? »Weezy F. Baby, make sure to say the F.«
(lacht) Nein. Gar nicht!

Du selbst beschreibst deinen Style als eine Mischung aus Beanie Sigel, El-P und »your bitch’s pussy juice«. Ist ­Beanie Sigel dein größter Einfluss?
Nein, ich lasse mich von ganz vielen Leuten beeinflussen. Ich höre mir alles an. Ich bin nicht einer, der sagt, es gibt nur HipHop und der Rest ist wack. Beanie Sigel ist einer meiner größten Einflüsse, neben DMX, Biggie und MF Doom. Also die Leute, die alle feiern. Ich bin mir sicher, du feierst die auch.

Wie kamst du zu der Musik von El-P?
Ein Kumpel von mir war bei den Marines und ist da auf El-P hängengeblieben. Er hat mich angefixt. Als ich das erste Mal von El-P gehört habe, waren seine Alben schon Jahre draußen. Da war ich echt spät dran. Ich habe El-P und Company Flow erst als Erwachsener entdeckt. Ich mag seinen Sound, schon allein weil er anders ist.

Vielleicht ist es einfacher, seine Musik zu verstehen, wenn man älter ist.
Ja, da stimme ich dir zu. Ich glaube, mir hätte sein Sound nicht gefallen, wenn ich unter 21 gewesen wäre.

Die erste Zusammenarbeit zwischen dir und El-P war jedoch erst der Remix von »Huzzah«.
Genau. Ich musste eben erst durch die Decke gehen, um mit ihm zusammenarbeiten zu können. Er hat sich bei mir gemeldet und erzählt, wie sehr er »Huzzah« liebt. Ich habe mich bedankt und ihm gesteckt, dass ich einige seiner Beats für »Lost In Translation« benutzt habe. Einen Monat vor Release habe ich ihm dann das Album geschickt, um seine Erlaubnis zu bekommen. Ich habe damit gerechnet, dass er richtig angepisst ist, aber er fand alles großartig. Als mir die Idee mit dem »Huzzah«-Remix kam, war er natürlich die erste Wahl. Seit er seinen Part eingerappt hat, sind wir Kumpels und rocken die ­Scheiße gemeinsam.

Wird es vielleicht sogar ein ­Kollaborationsalbum mit ihm geben?
Ich bin jetzt auf jeden Fall in einer Gruppe mit El-P. Ich kann nur noch gar nichts dazu sagen, aber im nächsten Jahr wird man von uns hören.

Ich war ein wenig überrascht, als ich auf deiner Bandcamp-Seite gelesen habe, dass du »The Big Fat Kill« schon 2008 veröffentlicht hast. Hast du in den vergangenen drei Jahren stetig Musik herausgebracht?
Das Album war sogar schon 2007 fertig. Ich hatte nur keine Kohle, es herauszubringen. Das war mein erstes großes Ding. So viel Spaß hatte ich noch nie beim Musikmachen. Wir waren ständig betrunken, haben uns beim Chinesen Essen bestellt, mit Weibern rumgemacht, »NBA Jam« gezockt und uns Kung-Fu-Filme reingezogen. Unter anderem.

Kannst du dir deine alten Sachen ­anhören oder geht das nicht?
Nein, ich höre mir meine alten Sachen nicht an. Ich schau immer nur nach vorne. Ich höre mir ja nicht einmal »Lost In Translation« an. Du kannst gerne meinen iPod checken. Das Album ist nicht drauf.

Was ist deine eigene Erklärung dafür, dass die Öffentlichkeit dich jetzt erst zu verstehen scheint?
Ich glaube, das Timing stimmt jetzt einfach. Es ist ja nicht so, dass ich früher schlecht gerappt habe. Die Leute waren einfach noch nicht bereit, meine kranke Scheiße zu hören. Aber jetzt ist einfach die richtige Zeit, dass der reale Rap sein Comeback feiert.

Wie beschreibst du selbst deine Musik?
Meine Musik ist so wie New York zum jetzigen Zeitpunkt klingen sollte. Manche Künstler versuchen ja, ein vergangenes Gefühl zurückzubringen und klingen dabei nach Oldschool. Ich hingegen klinge nicht nach Oldschool. Ich mache zwar den gleichen Scheiß, der früher gemacht wurde, nur mache ich es eben in neu. Ich mach den Scheiß für die Jetztzeit. Wenn Rap aus New York es geschafft hätte, sich weiterzuentwickeln, dann würde er wie ich klingen.

Text: Amaury »Ammo« Feron

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