Elzhi Interview

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Die Kölner Südstadt im Oktober. Elzhi sitzt mit Phat Kat bei einer Tasse Tee in einer Spaßkneipe. Er befindet sich mal wieder auf Europa-Tour. Noch vor wenigen Monaten wäre es eher unwahrscheinlich gewesen, ihn zu diesem Zeitpunkt ohne seinen alten Freund und Mentor T3 anzutreffen. Denn ­eigentlich wäre da ein neues Slum Village-Album zu promoten gewesen, und eigentlich hätte der hochtalentierte MC mit auf die Japan-Tour von Slum ­Village gehen sollen. Jetzt sitzt er stattdessen in Europa, Slum Village ist ­zumindest für ihn Geschichte. Dennoch merkt man ihm keine Verbitterung an. Elzhi ist Nackenschläge und Kummer gewohnt.

Auch wenn Jason Powers sein 2008er Debütalbum „The Preface“ („Das Vorwort“) nennt, muss man früher ansetzen, um seine Geschichte zu verstehen. Am bes­ten in seiner Kindheit, als seine Mutter den ganzen Tag Motown-Platten pumpt und der achtjährige Jason anfängt zu reimen. Schon hier zeigt sich seine Obsession für Wörter, Silben und Reimketten. Er orientiert sich an Vorbildern wie Rakim, Special Ed oder Ice Cube und studiert ihre Reime und Vergleiche. „Auch von Lord Finesse habe ich viel gelernt. Er hat das Spiel mit den Metaphern auf ein völlig neues Level gebracht“, erzählt Elzhi. „Aber nicht nur das, er hatte auch revolutionäre Patterns und Doppelreime. Big L ist ein weiteres Vorbild für mich. Er hatte eine großartige Technik, nur hatte er ein Beat-Problem. Die Produktionen, über die er rappte, waren einfach nicht so frisch.

Jahrelang rappt Elzhi auf der Straße, zu Hause, überall – nur nicht im Studio. Als er 1998 unter Aufsicht der Detroiter DJ-Legende Houseshoes seine ersten Aufnahmen macht, hat er noch Probleme mit der Atemtechnik. „Mir ging ständig die Luft aus“, lacht er. Doch Elzhi arbeitet weiter an sich und wächst: „Ich bin ein typischer Detroiter Künstler. Es gibt hier keine Infrastruktur. Früher gab es noch Treffpunkte für die Rap-Szene der Stadt, heute gibt es nicht mal mehr einen Club, in dem gerappt wird. Wir müssen 200 Prozent geben, um aus dieser Stadt herauszukommen und etwas zu erreichen.“ Schließlich wird er Teil des „Breakfast Club“, zu dem unter anderem Dwele, Big Tone und Lacks gehören. 2002 kollaboriert er mit dem späteren G Unit-Produzenten Nick Speed, im Jahr 2004 veröffentlicht er das „Witness My Growth“-Mixtape, auf dem man Tracks des hochtalentierten Spitters aus den Jahren 1997 bis 2004 anhören kann. Darunter sind frühe Kollaborationen mit J Dilla und Waajeed, der ihn auch den Mitgliedern von Slum Village vorgestellt hatte.

2001 nimmt Elzhi seine große Chance wahr. Nachdem er in den vergangenen Jahren mit den Slum Village-Mitgliedern diverse Features aufgenommen hat, lädt ihn T3 schließlich ins Studio zu den Aufnahmen von „Trinity (Past, Present & Future)“ ein. Dabei macht El eine so gute Figur, dass T3 ihm vorschlägt, Gruppenmitglied zu werden. Elzhi sagt zu, zum gleichen Zeitpunkt verlässt J Dilla die Gruppe. Jahrelang heißt es, Dilla habe sich als Solokünstler etablieren wollen. 2010 wird hinter vorgehaltener Hand ein anderer Grund für den Ausstieg genannt: Dilla soll mit dem Labelmanager und späteren Slum Village-Totengräber RJ Rice größere Probleme gehabt haben. Sei’s drum. Elzhi hat von nun an das Problem, dass sein Name für eine Ära des Slum steht, deren Vorzeichen bedeutend weniger „Fantastic“ sind. Er ist zwar ein herausragender Rapper, aber eben kein Produzent, der der Gruppe einen Soundstempel aufdrücken kann. Mit Jay Dee verliert die Gruppe auch ihr musikalisches Gesicht. Anfangs waren Baatin und T3 das rappende Beiwerk auf Dillas Meisterwerken, jetzt entwickelt sich die Gruppe dank des neuen Mitgliedes lyrisch enorm weiter und landet später mit der Kanye West-/John Legend-Kollabo „Selfish“ vom Album „Detroit Deli“ ihren größten Hit.

Als Baatin 2002 die Gruppe aus gesundheitlichen Gründen verlässt, ist T3 das einzige verbliebene Gründungsmitglied. „Seit 2002 hat sich die Hierarchie innerhalb von Slum Village eigentlich nicht verändert. Ich habe mich am kreativen Prozess beteiligt, aber T3 war immer der Chef. Er hatte das letzte Wort – zurecht. Denn er hat Slum Village mitgegründet. Die Gruppe ist sein Baby.“ Elzhi hält sich zwar bei den Entscheidungen zurück, aber in seinen Raps ist er nicht zu halten. Auf dem selbstbetitelten „Slum Village“ von 2005 setzt Elzhi lyrisches Ausrufezeichen nach Ausrufezeichen. Im Interview mit dem „Blockstar“-Magazin erklärt er die Kunst der Patterns. Im Verlauf dieses Gesprächs kommt er zu dem Schluss: „Ich habe den Code geknackt. Von hier aus ist technisch fast alles möglich.“ Tatsächlich hat Elzhi einen wissenschaftlichen Anspruch an seine Kunst entwickelt: „Ich würde nicht sagen, dass ich ein Nerd bin, eher ein Wissenschaftler. Ich habe über die Jahre richtige Formeln entwickelt, nach denen ich meine Reim-Patterns und Metaphern anordne. Die Art, wie ich reime, hängt immer vom Instrumental ab. Politisch, deep oder rough – die Songthemen kommen zu mir, wenn ich den Beat höre. Entscheidend ist aber, dass ich auf jedem Beat in der Lage bin, Patterns zu bringen.“ Auf „The Preface“ treibt Elzhi diese Kunst auf die Spitze. Egal ob Rap-Fan oder Kritiker, bei der Analyse von Tracks wie „D.E.M.O.N.S.“ oder „Guessing Game“ klappt die Kinnlade herunter. Elzhi ist zu jeder Sekunde präsent, wirft mit Akronymen um sich, entwickelt neue Reimstrukturen und verliert sich trotzt Hi-Tech-Flows nicht in inhaltlichem Nonsens.

Das Ganze läuft bei mir automatisch. Deshalb habe ich ‘The Preface’ auch in zweieinhalb Wochen recordet.“ Elzhi sorgt mit dieser Platte für einen Höhepunkt des Rap-Jahres. Eigentlich die besten Vorzeichen für ein neues Slum Village-Album 2010. Als Baatin sich der Gruppe 2009 wieder anschließt, sind zumindest alle lebenden Crew-Member vereint. Er nimmt mehrere Parts auf, ehe er im selben Jahr unter mysteriösen Umständen stirbt. Die Lücke versucht T3 mit dessen Bruder zu stopfen: Illa J wird neues Slum-Mitglied und für Elzhi fangen die Probleme an. RJ Rice, CEO von Barak Records, dem Label der Band, droht Elzhi aus der Gruppe zu werfen und ihn durch Illa J zu ersetzen. Die Gründe für die Auseinandersetzung sind bis heute unklar. Es geht wohl um ungeklärte Vertragsmodalitäten und natürlich das liebe Geld. Tatsächlich ist Elzhi ein faszinierender Künstler, aber eben kein Businessfuchs. Er vertraut seinem Freund und Mentor T3 fast blind, unterschreibt Verträge auf dessen Anraten und wird schließlich von ihm fallengelassen. Als sich Elzhi ein eigenes Management leistet, kommt es zum Konflikt zwischen Label und Künstlervertretern. Elzhi droht kurzzeitig vom Slum Village-Album „Villa Manifesto“ zu fliegen, am Ende ist er doch auf sieben Tracks vertreten. Mit der Albumpromotion hat Elzhi nichts mehr zu tun, er gibt keine Interviews, taucht in keinem Video auf und auf Tour geht er schon gar nicht mit. T3 hat ihn kaltgestellt.

Das Kapitel Slum Village endet für Elzhi als traurige Geschichte. Verbittert sei er deswegen trotzdem nicht, sagt er. Er gibt sich kämpferisch. Es wird ohnehin längst Zeit für den sympathischen MC, seine Solokarriere voran zu treiben. Und zwar mit einem Release, das eigentlich schon vor zwei Jahren hätte kommen sollen. „Elmatic“ ist seine eigene Ode an den Nas-Klassiker „Illmatic“ von 1994. „Ich werde darauf natürlich so rappen, wie man das von mir gewohnt ist, mit anspruchsvollen Flows und Patterns. Aber in erster Linie geht es mir darum, den Kids einen Klassiker neu vorzustellen. Sie sollen über mein Release auf dieses Album aufmerksam werden und sich wieder für hochwertigen Rap interessieren. Im Radio wird man in den Staaten mittlerweile nur noch mit Party-Rap und anderem Bullshit konfrontiert. Mir geht es um die Kunst. Die Kids sollen sich wieder mit Rap als Kunstform beschäftigen. Sie sollen Rap studieren.

Text: Julian Gupta

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