»Ich hab Identität« – das kann man Disarstar wirklich nicht abstreiten. Kernige Stimme, etwas Reibeisen beigemischt, Inhalte stehen im Vordergrund: »Die ganze Welt basiert auf Kontrasten, Gegensätzen, Differenzen. Wir fühlen, denken, handeln basierend auf Kontrasten. Unsere Realität entsteht im Abgleich mit unserer Umwelt, aber vor allem im Vergleich«, heißt es auf der Facebook-Seite, garniert mit Oben-Ohne-Foto (778 Likes). Es ist ein seltsamer Mischmasch, den Disarstar auftischt. Die Gänge: Starke Egozentrik, eine Prise Philosophie, hin und wieder ein holpernder Zweckreim, Gesellschaftskritik aus dem linken Milieu. Zum Nachtisch eine Kreation aus Plattitüden und Alltagsszenarien: »Vor kurzem sprach ein großer schwarzer Mann mich an/Und fragte mit gebrochener Stimme, ob ich ihm helfen kann/Mit seinen Händen und auf Englisch/Er war groß und breit, aber wirkte klein und verängstigt«. In »Kaleidoskop« gelingt Disarstar das Kunststück, Bestürzung über die Religion des »alles immer« auszudrücken und dabei ehrlich zu wirken. Das eigene Leiden wird ebenso zelebriert wie der Drang, zu helfen und zu verändern: »Lächeln auf der To-Do-Liste statt auf den Lippen«. Doch nach dem Vortrag der »Capitis Deminutio Maxima« (Verlust der Freiheit, des Bürgerrechts und der Familienzugehörigkeit) fühlt man sich wie im Hirn von Verschwörer Ken Jebsen eingesperrt – clevere Vortragsweise, notwendig anzusprechende Absurditäten einer Weltordnung, die sich dem totalen Konsum verschrieben hat und dennoch: Danach hat man eine »Therapiestunde« nötig. Zu episch donnernden Beats und Glockengeklirr in den »Abgrund der Menschheit« zu schauen, wie Disastar es auf »Kontraste« tut, heilt wahrscheinlich nur die eigene Künstlerseele. Doch im letzten Track »Kosmologie« erhebt sich der »intellektuelle Hinterwäldler, indiskreter Linksextremer und Ex-Kindergärtner« über all die großen Probleme der kleinen Menschen hinweg und beweist mit kleinen Worten große Weisheit: »Hier im kosmischen Theaterstück/Bleibt nur Achtsamkeit als Souffleur, der es hin und wieder gerade rückt«.
Text: Laurens Dillmann