Was für ein Jahr! 2016 würden viele am liebsten sofort in die Tonne kloppen. Doch musikalisch gab’s dann doch noch einiges zu holen. Die JUICE-Redaktion hat deswegen zusammen mit ausgewählten freien Autoren wie gewohnt abgestimmt, um die wichtigsten Alben des Jahres ganz demokratisch zu ermitteln. Wer mit dem vorliegenden Ergebnis unzufrieden ist: Bei den JUICE Awards habt ihr noch bis einschließlich 15. Januar 2017 Zeit, eure Favoriten zu wählen.
Shindy tauscht auf »Dreams« Märchenstorys gegen Vogelperspektive und erreicht auch mit wenigen Inhalten seinen künstlerischen Zenit.
09 Coup (Haftbefehl & Xatar) – Der Holland Job
Statt eintönig zu wirken, geht das Konzept auf: Die gewählte Schlagzahl erzeugt drückende, kurzweilige Songs, deren energischer Delivery sich der Hörer kaum entziehen kann. Auch textlich ergänzt man sich bestens: Im Wechselspiel werden Batzen gemacht und verprasst, Widersacher eliminiert und Weißes zu Steinen verarbeitet. Der Musikvideo-Actionstreifen, der das Album kinematografisch begleitet, wird dadurch fast überflüssig.
Goldroger zeichnet mit »Avrakadavra« ein stimmiges Gesamtbild: Kendrickeskes in Rage rappen wechselt sich mit Ohrwurm-Hooks, Runtergeratter und gut gesetzten Pausen ab. Goldroger rappt variantenreich, bleibt politisch klar und zeigt einen Mittelfinger an alle Aluhüte und Freiwildfans. »Wo ist die Liebe?« Goldroger, sie steckt in diesem Album.
07 Gzuz & Bonez – High & Hungrig 2
Bisschen genial ist ja, wie Gzuz und Bonez dieses Album beginnen: Endlich ist der Traum vom CL wahr geworden – aber das Ding schluckt so viel Benzin, dass ne neue Platte her muss. Patentrezept: »Wieder dasselbe rappen.« Das ist im Falle der 187 Strassenbande zum Glück nicht das Schlechteste, haben sie doch die brachialsten Beats im Game – im Gegensatz zu Hochglanzbrechern von zum Beispiel Farhot und Bazzazian weiterhin mit asozial-dreckigem Underground-Flavour – und mit Gzuz & Bonez zwei unfassbar drückende Stimmen, wegen derer man sich ursprünglich mal in die Strassenbande verschossen hat.
Die große Stärke von Kalims Debüt bleibt trotzdem seine Stringenz – in Zeiten, wo Einflüsse aus Frankreich und den Südstaaten hiesigen Straßenrap melodiegetriebener und Hit-fixierter denn je gemacht haben, fast ein Anachronismus. Ohne Partymomente und Auto-Tune-Passagen überzeugt »Odyssee 579« mit einer Dringlichkeit, die 2016 im deutschen Straßenrap bislang einzigartig ist.
05 Ssio – 0,9
Wer ernsthaft erwartet, dass Ssio plötzlich Footwork oder Großraum-Trap geht, der freut sich auch, wenn die Stiebers »Burr« und »Scurr« sagen. Spätestens nach dem sinnstiftenden Intro ist die Route klar, Fallhöhe gibt es nur bei der Ausführung, und diese Fallhöhe würde locker noch für einen Genickbruch auf Raten ausreichen: »0,9« muss mehr als ein schaler Aufguss von »BB.U.M.SS.N« sein, weil es kaum etwas Traurigeres gibt, als unter anerkennendem Raunen die eigene Nische aufzutun und sich für den Rest seiner Karriere darin zu langweilen.
04 RAF Camora & Bonez MC – Palmen aus Plastik
Direkt nach »Ghost« und »H&H2« schaufeln die beiden sich mit »Palmen aus Plastik« den Büfettteller voll. Gewohnt gewitzt wird dann über die Liebe zu leichten Mädels, Knollendampf und Karren philosophiert.
03 Audio88 & Yassin – Halleluja
Halleluja! Endlich wieder rigoros runtergebetete Rap-Choräle der beiden God MCs Audio88 & Yassin. Und was soll man sagen: Auf ihrem Neuen Testament verkünden die beiden einmal mehr ihre gottgleiche Herrlichkeit.
02 Crack Ignaz & Wandl – Geld Leben
Instrumentale Interludes halten das Album ästhetisch zusammen und verdichten es zu einem ausufernden Trip, der sich gegen Ende in paranoidem Verfolgungswahn (»Zähne & Augen«) und cloudigem Spoken-Schmäh verfängt (»Wellen«), bevor er in der alternativen Kopf-Hoch-Hymne »Ikarus« seinen Höhepunkt findet.
Wenn »Endlich Unendlich« ein Befreiungsschlag war, dann ist »Regenmacher« der anschließende Brückenschlag. Durch den Schleier des Monsuns.