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Demograffics – How Long

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Das Demograffics-Video zum Song »How Long« aus ihrem Album »Cheese«, zu dem Beat Fight-King Dexter den Beat beisteuerte, feiert heute Premiere. Passend dazu gibt es den Artikel aus der JUICE #142 über das bayrische Duo, das im August gemeinsam mit Roger auf Tour sein wird.

Ob man Achim Schneemann nun kennt als Demograffics-Mastermind, als Maniac von Dexter & Maniac oder einfach als »den Bayern, der auf Englisch rappt«: Hat man den sympathischen Lebenskünstler einmal in Aktion erlebt, wird er in der Regel einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Denn Achim ist nicht nur ein Vollblut-MC mit gehörig Live-Skills und gleichzeitig ein äußerst talentierter Produzent, sondern vor allem ein Original, wie es in keinem Buche steht: Der junge Mann, der hier am Regensburger Hauptbahnhof auf den JUICE-Reporter wartet, spricht eine gewinnende Mischung aus Mittelbairisch, amerikanischem Slang und HipHop-Vokabular, und wenn er einen dann auf »an Kaffee ins G’sicht nei« und eine Runde Beats und Raps aus eigener Feder namens »Cheese« einlädt, kann man gar nicht nein sagen.

Nach einem Spaziergang durch die hübsche Altstadt Regensburgs kommen wir bei Falafel und Bio-Spezi dann auch gleich auf das vermeintlich leidige Standardthema zu sprechen. »Ach, die Frage ist doch ganz normal. Erst labert er auf Bayrisch daher, und dann fängt er an, auf Englisch zu rappen – das ist halt komisch. Und englischer Rap aus Deutschland war bisher ja auch eher wack, deswegen stellt man auch gleich in Frage, ob das jetzt überhaupt meine eigene Identität sein kann.« Dass Achim auf Englisch rappt, hat jedoch einen simplen, aber völlig nachvollziehbaren Grund: Er hat sein MC-Handwerk als Jugendlicher in den amerikanischen Südstaaten gelernt und sah damals auch überhaupt keine Veranlassung, es auch mal in der Sprache seiner fernen Heimat zu versuchen. »Damals hab ich ja nicht gewusst, dass ich irgendwann wieder in Deutschland wohnen werde – und ich kann es auf Deutsch auch einfach nicht. Ich hab ja manchmal schon Probleme, einen deutschen Satz zu formulieren. Und auch wenn ich jetzt schon seit sieben Jahren wieder in Deutschland bin, denke ich auch noch oft auf Englisch.«

Achims HipHop-Sozialisation verlief dementsprechend auch anders als die seiner hiesigen Kollegen: Als siebenjähriger Bub siedelte er 1992 mit seiner Familie von Bayern nach Greenville, South Carolina über, und schon damals zog es ihn auf die Bühne: Die Nachbarn wurden eingeladen und der kleine Achim gab den Michael Jackson. Bald kaufte er sich Tapes von Skee-Lo und Montell Jordan – und performte daheim dann deren Songs. Sein soziales Umfeld an der High School war vor allem vom regionaltypischen Crunk-Sound angetan, Achim hingegen entwickelte dank der ersten »Lyricist Lounge«-Compilation eine Faszination für die Indie-Szene – und wurde ein astreiner Backpacker. »Wir sind damals eineinhalb Stunden nach Asheville in North Carolina gefahren, um eine Show von Atmosphere oder Aesop Rock vor 30 Leuten anzuschauen. Für uns war das das Höchste. Ich fand vor allem die Beats geil, weil ich ja sonst nur den Mainstream-Kram kannte.« Mit 14 begann Achim, selbst Beats zu produzieren, aber weil die rappenden Klassenkameraden allesamt zu wack für seine Sample-Kompositionen waren, fing er an, eigene Texte zu verfassen – wobei ihm die Art und Weise, wie in amerikanischen High Schools unterrichtet wird, dabei sehr entgegen kam: »Da drüben lernst ja in der Schule überhaupt nix, in zehn Jahren High School hab ich in kein einziges Buch reingeschaut. Aber you gotta take notes, also hab ich im Unterricht dann eben Raps geschrieben.«

Achim fand immer besser Anschluss an die HipHop-Szene in South Carolina, machte sich an der Seite seines MC-Kollegen Hafez einen Namen auf regionalen Parking-Lot-Battles und lernte schließlich den in der Gegend recht bekannten Produzenten Dave Black kennen. Dessen damaliger Job bestand darin, für einen zwielichtigen Straßengeschäftsmann ein Studio in der Hood zu betreuen. »Der Typ, dem das Studio gehörte, war so ein fetter weißer ­Gangster, wir nannten ihn spaßeshalber Suge White. Das Studio war sehr gut ausgerüstet, und dort konnten Dave und ich aufnehmen. Außer uns hat dort noch eine Crew von elf Leuten aus der Hood recordet. Die waren so grimey, die sind mit Knarren zum McDonald’s gefahren«, lacht Achim. Die dort entstandenen Aufnahmen landeten 2004 auf dem ersten eigenen Tonträger, der anlässlich eines bevorstehenden Gigs als Opener für Psycho Realm kurzerhand im Copyshop zusammengeschustert wurde – und den Ausschlag gab, sich endlich mal einen Namen zu suchen: »Wir mussten halt was auf die CD draufschreiben, und Dave meinte dann, wir sollten uns Demograffics nennen. Ich hab’s nicht so mit Namen. Und ob Demograffics jetzt für Dave und mich, für DJ Rufflow [Achims DJ aus Regensburg, Anm. d. Verf.] und mich oder für mich alleine steht, ist im Endeffekt ja auch wurscht.«

Was Rap angeht, hatte Achim zum damaligen Zeitpunkt also schon was gerissen, aber seine Erwerbsbiografie drohte nach dem Abschluss der High School im Sande zu verlaufen: »Ich hatte drei verschiedene Jobs, aber es ging nicht wirklich voran. Also bin ich schließlich nach Deutschland, um hier eine Ausbildung zu machen.« Doch wo wirklich seine Prioritäten liegen, daraus macht Achim kein Hehl: Bezüglich seiner »Blaumann-Scheißausbildung« erfährt man, dass er es dort mit lauter »Bildzeitungs- und Leberkas-G’sichtern« zu tun hatte und »jeden Tag Löcher bohren« musste. Viel wichtiger sind ihm die Rahmenbedingungen, unter denen er nun seine künstlerische Leidenschaft ausleben kann. Mittlerweile konnte Achim schon jede Menge wertvolle Live-Erfahrungen sammeln: Zusammen mit Dexter performte er das gemeinsame Album »Raw Shit« als Tour-Opener für Blumentopf, er trat auf dem Splash! genauso auf wie in Jugendzentren und im Bayrischen Rundfunk – und nach den Auftritten macht er sich regelmäßig daran, eigenhändig Tonträger an die Fans zu verkaufen. »CDs hustlen« nennt er das. Und weil Achim nicht nur live überzeugend, sondern auch ein sympathischer Zeitgenosse ist, wechseln auf diesem Wege nicht unerhebliche Stückzahlen den Besitzer. Demnächst aus Achims Rucksack zu erstehen: »Cheese«, das neue Demograffics-Album, das bis auf zwei Beat-Beiträge von Dexter komplett aus der Feder bzw. aus Plattenregal, Sampler und Keyboard von Achim stammt und im Gegensatz zu »Raw Shit« auch inhaltlich ein wenig mehr in die Tiefe geht – auf der Videosingle »Get The Job Done« etwa wird auch Achims Bildungsweg thematisiert. »Viele Texte auf dem Album haben mit meiner Biografie zu tun, aber auch mit der Gesellschaft an sich. Ich denke, das ist alles sehr lebensnah gehalten, everyday type of shit that most can relate to.« Und damit geht’s dann raus aus der Regensburger Altstadt, Achim muss nämlich zur Bandprobe mit einem wahnsinnig dopen Live-Quartett namens Tribes of Jizu. Mit denen geht es im Frühjahr auf Tour, HipHop ins G’sicht nei und CDs hustlen.

Text: Marc Leopoldseder

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