Credibil – Semikolon // Review

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(Epic/Sony)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Man könnte meinen, die Inflation an Gesichtstattoos im Rapkosmos hätte das Symbol »Face-Tat« entwertet. Nein. Sich Tinte unter die Schläfe zu stechen, bleibt eine Ansage – und eine Absage an das bürgerliche Leben. So begründete auch Credibil die Entscheidung, sich das Emblem von »Traumfænger« ins Gesicht zu tätowieren: Er werde nie in einer Bank arbeiten, er werde sein Leben der Musik widmen und das Tattoo sei sein Versprechen an ihn selbst, so Credibil. So kredibil die Aussage des Frankfurters, so sehr fürchteten seine Fans nach den ersten Hörproben von »Semikolon« um die Musik ihres Lieblings. Denn statt den düsteren, durchdachten und dichten Zeilen veröffentlicht Credibil erstmal ein poppig-luftiges Liebeslied. Hat sich das Versprechen in seinem Gesicht gegen ihn gerichtet? Wurde aus dem Drang, sein Leben mit Musik zu bestreiten, ein Zwang? Nicht: »Ich tätowiere mir das Gesicht, weil ich erfolgreich werde«, sondern »ich muss erfolg­reich werden, weil ich mir das Gesicht tätowiert habe«? Es würde auch dazu passen, dass der Frankfurter nicht mehr länger im Alleingang unterwegs ist, sondern bei Epic (Sony) unterschrieben hat. Es unterschlägt allerdings, dass der Song in seinem Kern so fortschrittlich für die Szene ist, wie Credibil sonst rappt. Er geht nämlich nicht davon aus, dass die Frau mit ihm um die Welt fliegen will. Stattdessen fragt er vorher: »Wenn du willst« – was im patriarchalischen Rapgeschäft schon fast einer Revolution gleicht. Und die Liebeshymne des »frischverheirateten« Frankfurters, sie wäre perfekt, würde der sonst so wortgewandte Credibil nicht mitten im Song noch eine Kalenderspruchfloskel unterbringen: »Für die Welt bist du nur jemand, doch für jemanden die Welt.« Ja, »Semikolon« ist leichter, auch sprachlich. Aber fürchten um Credibils Kunst muss niemand. Wer düstere, durchdachte und dichte Zeilen wie auf »Renæssance« sucht, findet sie auf »Nie wieder Bahnhof« – einem WDR-Hörspiel, auf dem der Cred jüngst sprachliche Schwere zeigte. »Semikolon« ist also eine Ergänzung in Credibils Repertoire und kein Ersatz.

Text: Jan Kawelke

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