In Dortmund schreibt man Ästhetik groß – mit Musikvideo-Blockbustern, Haute Couture und progressiver (T)Rap-Musik. Von wegen zu wenig Swah.
Wer vom sonnigen Italien in das mitteldeutsche Ruhrgebiet zieht, den muss etwas antreiben. Im Fall von Ce$ war es die Musik. Der Deutsch-Italiener ging zunächst in der NRW-Metropole Essen zur Schule, doch die Sehnsucht zog ihn mit 14 Jahren nach Italien, in das Herkunftsland seiner Familie. Er genoss das Dolce Vita sieben Jahre lang, bevor er merkte: Erfolgreich werden, das funktioniert hier nicht so richtig. Also zurück in den Pott, Kontrastprogramm in Dortmund. Wenn man Ce$ heute fragt, woher das Rustikale in seinem Sound kommt, gibt die Symbiose dieser zwei Welten einen Teil der Antwort: »Es ist sicherlich mein italienisches Temperament. Aber auch das Ruhrgebiet gibt mir dieses düstere Gefühl. Es ist eine Mischung aus der Ruhrpott-Mentalität und der Sonne aus Italy.«
Ein bisschen weniger als ein Jahr ist es her, dass Ce$ aka Il Guapo seinen Einstand im hiesigen Game feierte. Damals, im März 2016, ließ er mit »Teufelskreis« sein erstes Video von der digitalen Leine. Sein Erstversuch lieferte ein beeindruckendes Gegenargument zum Vorwurf, deutsche Trap-Entwürfe seien nur abgekupferte US-Plagiate. Denn was Ce$ machte, war in jeder Hinsicht neu: die dramatische Szenerie im Video, seine energische Stimme und eine Sprache, die aus verschiedenen Einflüssen zu einem linguistischen Novum verschmolz – so machte Ce$ etwa aus dem romanischen »Fratello« und dem slawischen »Brate« seine eigene Form des Bruders: »Bratello«. Es folgten drei weitere Videos, die sich in ihrer Ästhetik vom damaligen Deutschrap-Standard abhoben. Die audiovisuelle Stilsicherheit ließ einen Hype entstehen, der Rapkollegen wie Marvin Game und die Immer-Ready-Crew auf den Plan rief. Anfang 2017 steht Il Guapo nun mit einer Menge Co-Signs in den Startlöchern.
Seine komfortable Ausgangssituation verdankt Ce$ nicht zuletzt auch seiner Bratello Omerta Gang, die für Bewegtbilder und Beats verantwortlich zeichnet. Letztere stammen von seinem Produzenten Zen Feriz, den er über eine Kleidertauschbörse im Internet kennenlernte und mit dem er schnell die Erkenntnis teilte, dass es HipHop in Deutschland an etwas fehle. Seitdem zieht sich das Thema Mode wie ein roter Faden durch das Schaffen von Ce$. »Die Leute haben das vielleicht nicht so wahrgenommen, aber die größten Pop-Künstler wie Michael Jackson oder Elvis hatten immer auch mit Mode zu tun. Das gehört einfach zum Business«, erklärt er. Musikalische Abstriche müsse man deswegen aber nicht machen. »Ce$ ist ein Gesamtpaket aus vielen Dingen. Da leidet kein Aspekt unter einem anderen.«
Trotzdem: »Wir wollen nicht nur rappen. Es ist mehr als nur die Musik. Es ist Kunst, es ist Freiheit, es ist Movement.« Mit seinem intensiven Hustle in den letzten Jahren hat sich Ce$ zu einem Perfektionisten entwickelt, der nichts mehr dem Zufall überlassen will. Der erste Langspieler soll dieses Jahr erscheinen. Doch bis dahin muss noch viel passieren. Denn wenn es nach Ce$ geht, muss die Melange aus Mode und Musik perfekt sitzen, um Deutschrap auf die nächste Stufe zu hieven.
Dieses Feature erschien in JUICE #178 (hier versandkostenfrei bestellen).