Cardi B – Invasion Of Privacy // Album der Ausgabe

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(Atlantic Records / Warner Music)

Wertung: Fünf Kronen

Cardi B mag nicht der technisch versierteste MC sein und auch nicht die besten Metaphern und ­Punchlines haben, aber was sie so sympathisch macht: Sie will das gar nicht. Muss sie auch nicht. Cardi weiß, dass es oft die Faszination um ihre Person ist, die als logische Konsequenz zu ihrer Musik führt. Und jeder, der Cardi bisher lediglich als Reality-Soapstar-gone-Rapper (sie nahm an der VH1-Show »Love & HipHop« teil) oder als lustiges Instagram-Meme beäugt hat, wird auf ihrem Debütalbum eines Besseren belehrt, denn »Invasion Of Privacy« ist die In-die-Fresse-Antwort für all ihre Skeptiker. Schon auf dem ersten Track »Get Up 10« startet sie energisch: »Look, they gave a bitch two options: strippin‘ or lose.« Wir sind froh, dass sich Cardi mit dem Rappen selbst eine weitere Option ermöglicht hat und dadurch den modernen amerikanischen Traum lebt.

Aufgewachsen in der South Bronx als Tochter einer armen Arbeiterfamilie mit Background in Trinidad und der Dominikanischen Republik, lebte sie eine Teenagerzeit zwischen Bloods, Schule und Stripclub – einen Job, den sie annahm, um häuslicher Gewalt zu entkommen. Ihren ersten Schritt in Richtung Billboard Top 100 ging sie 2015 mit einem Remix von Shaggys »Boom Boom«. Der Rest ist Geschichte. Denn nicht nur auf »Get Up 10« kann sie mit klaren Worten überzeugen. Ehrlich und direkt beweist Cardi B: Softness und Credibility schließen einander nicht aus. Auf Songs wie »Ring« feat. Kehlani, »Be Careful« und »Thru Your Phone« reflektiert sie toxische Beziehungen, Untreue und Vertrauen. Sie schüttet uns ungefiltert ihr Herz aus, so als seien wir alle ihre beste Freundin. Die afro-lateinamerikanischen Wurzeln von »Cardi Bardi, bangin’ body« kommen ebenfalls nicht zu kurz. Auf dem Ohrwurm »I Like It« vereint sie die Superstars der Latino-Community J. Balvin und Bad Bunny auf einem Sample von Pete Rodriguez’ 1967er-Song »I Like It Like That«. Insgesamt wird auf diesem Album nicht mit Referenzen und Shoutouts gegeizt. Ein weiteres Beispiel dafür ist »Bickenhead«, eine Hommage an Project Pats Memphis-Hymne »Chickenhead«. Manch ein Buchstabe wird natürlich durch ein B ersetzt, aber Cardi versteht es, ihre Inspirationen zu kenn­zeichnen, so geschehen bei ihrem Durchbruchs-Hit »Bodak Yellow«, das ein Sample von Kodak Blacks »No Flockin’« beinhaltet.

Produktionstechnisch waren natürlich Hochkaräter beteiligt: Boi-1da, DJ Mustard, Murda Beatz, Benny Blanco – you name it. Was letztendlich das Album so besonders und Cardi B so einzigartig macht, ist ihr Umgang mit Worten. Dass Cardi eine gute Rednerin ist, klar – aber ihre Stimme ist ein Instrument für sich. Ihr Akzent, den sie laut eigener Aussage bei ihrer Großmutter aufgeschnappt hat, ist ohnegleichen und umhüllt jedes einzelne Wort – oder eben ihre eigenen Neologismen. »Invasion Of Privacy« ist nicht nur ein gelungenes Debütalbum, sondern auch ein Manifest für Empowerment – sei es für Women of Color, schwangere Frauen oder Mütter im Berufsleben. Cardi Bs Aussagen mögen nicht politisch korrekt sein, denn ihre Aussagen entspringen ihren Erfahrungen, Armut und Wut. Aber sie sind politisch relevant. Ihr Feminismus basiert nicht auf akademischem Wissen, sondern auf ernstzunehmenden Gefühlen. Sie hat bewiesen, dass sie mehr ist als ein »regular, degular, schmegular girl from the Bronx«. Cardi B ist einer der größten Rapstars unserer Zeit. Wer jetzt immer noch haten will, soll haten. Wenn nicht mit Rap, dann mit ihrem Stiletto-Absatz. Okurrr!

Text: Miriam Davoudvandi

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