(EMI)
18 Jahre Bandgeschichte, sechs Alben (davon vier in den Top Ten), seit 2006 fester Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Biergartentaumels namens FIFA-WM – und Savas glaubt trotzdem immer noch, einer der Münchner Jungs hieße “Rhabarber”. Es stellt sich die Frage, was man als hart arbeitende, zutiefst integre Band in dieser Szene eigentlich noch alles zu leisten hat. Aber die Zeiten sind ja bekanntlich a-changing, und nur ein paar Paradigmenwechsel später klingt es plötzlich für niemanden mehr komisch, wenn Olli Banjo Blumentopf als Sinnbild für Authentizität hinstellt und Sepalot über Sido sagt, er habe den Maskenmann mehr gemocht, als dieser Blumentopf noch scheiße fand. Nach mehr oder minder erfolgreichen Soloprojekten von Cajus, Roger und Sepalot, sammelt die Musikmaschine für “Wir” ihre Einzelteile also wieder zusammen. Wer sich sowohl bei den das Artwork dominierenden Farben als auch der Sloganhaftigkeit des Titeltracks unangenehm an FDP-Broschüren erinnert fühlt, sei hiermit entwarnt. “Wir” ist eine äußerst souveräne und starke Platte geworden. Im Gegensatz zur teilweise fahrig wirkenden Stilsammlung des Vorgängers haben Blumentopf für “Wir” den Masterplan, bzw. -planer wiedergefunden. Unter Sepalots Regie entstand ein homogen rotziger Sound, der in deutlich mehr Richtungen weist als die notorischen Rick Rubin-Vergleiche fassen können. Immer wieder mischen sich knarzende Bassläufe und 4/4-Stampfer unter Ein-Spur-Gitarren, Megaphon-Vocals und Distortion-Drums. Auch thematisch herrscht genügend Topfness, um die Nostalgiefalle nie ganz zuschnappen zu lassen.Da tut es auch fast nichts mehr zur Sache, dass typische Konzeptsongs wie “Hunger” oder “Super einfach schwierig” schon seit “Kein Zufall” zum festen Repertoire gehören. Somit ist “Wir” vielleicht das erste Topf-Album, für das man kein Fan sein muss, um es zu feiern. Die vermeintliche Einbahnstraße Deutschrap haben Blumentopf mit “Wir” jedenfalls verlassen. Die Richtung wird noch festgelegt.
Text: Julian Brimmers