Battle Of The Ear: Celo & Abdi – Diaspora // Review

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Celo & Abdi, Diaspora, Review

(Azzlackz / Groove Attack)

PRO

Wertung: Viereinhalb Kronen

Ein Leben in Diaspora. In der Fremde, als religiöse Minderheit. Celo & Abdi wissen, wovon sie sprechen. Die unbeschwerte Abhandlung von sensiblen und zuweilen schwermütigen Themen ist es, die den beiden charismatischen Protagonisten einen quasi unendlichen Spielraum gibt, sich unpeinlich, fast schon spielerisch von Thema zu Thema zu hangeln. So fügen sich authentisch und bildhaft vorge­tragene Geschichten von notwendigen Kleintickereien, die smarte Einordnung des eigenen Daseins im eigentlich gar nicht so fremden Deutschland und der Einfluss des Duos auf Sprache und Slang auf ihrem vierten Album zu einem fein aufeinander abgestimmten Bild zusammen, das ganz ohne krampfige Konzepte auskommt. Die sympathischen Charaktere der beiden kommen dabei natürlich nicht zu kurz und sorgen für Kurzweile, ohne sich dabei in Albernheiten zu verlieren. Besonders Celo hat sich in Sachen Präsenz deutlich weiterentwickelt. Die gemütliche Trägheit des bosnischstämmigen Glatzkopfs weicht gewagten Spielereien mit der Stimmlage und einer ungewohnt disziplinierten Einhaltung des Versmaßes. Dem präzisen Vortrag seines Konterparts kann das zwar noch immer nicht ganz das Wasser reichen, das macht Celo aber durch irrwitzige Zeilen und ein unnachahmliches Charisma locker wett. Auf dem musikalischen Unterbau, der nun deutlich zeitgemäßer als der Vorgänger anmutet, fühlt das Duo sich hörbar wohl. Die 808-lastigen Synthiebretter wummern zwar mächtig aus den Boxen und passen den beiden wie angegossen, an den abwechslungsreichen Sound des Vorgängers kommen die Produktionen, die diesmal nicht ausschließlich aus den Maschinen von M3 stammen, aber nicht ganz heran. Das tut dem musikalisch monochromen, inhaltlich beeindruckend konsequenten »Diaspora« aber keinen Abbruch.

Text: Skinny

 

CONTRA

Wertung: Drei Kronen

»Prolog dieser Geschichte/Erzähl ich dir jetzt und dann frag mich nie wieder« – beinahe genervt klingt Celo 385, wenn er noch einmal den Gründungsmythos des Duo Numero Uno von der legalen Abzocke im Callcenter über Grastickerei bis zum »Mietwagentape« runterrattert. Trotzdem bleiben die Themen auf »Diaspora« die gleichen wie zuvor, schließlich bieten die Frankfurter Straßen und vor allem der weltweite Rauschgifthandel genug Stoff für ein viertes Album – nicht umsonst hat auch Netflix bereits eine vierte Staffel von »Narcos« angekündigt. Dennoch hätte ein Themen- oder zumindest Perspektivwechsel, wie ihn der Albumtitel andeutet, Celo & Abdi gut getan. Unter der Oberfläche aus Tickersprech, Street-Smartness und Sportreferenzen warf ihre Musik schon immer Fragen zu Heimat, Migration und kultureller Identität auf – das verdeutlicht alleine das furiose Sprachwirrwarr, das Celo & Abdi so kunstvoll zu assoziativen Textcollagen verweben. Doch gerade in Zeiten, in denen weltweit Grenzen dichtgemacht werden und Rechtspopulisten täglich mit verbalen Grenzüberschreitungen empören, hätte eine explizitere Thematisierung dieser Fragen den Diskurs bereichert – auch weil man weiß, wie humorvoll Celo & Abdi ernste Themen verhandeln. Leider geschieht dies lediglich im Titeltrack, auf dem die beiden Frankfurter mit bosnischen bzw. marokkanischen Wurzeln die Migrationsgeschichten ihrer Eltern nacherzählen. Klar ist aber auch, dass das Duo nicht viel falsch macht, solange es die Erfolgsformel seiner Vorgängeralben wiederholt. Wenn allerdings der musikalische Ausreißer »Rhythm ‚N Flouz« mit seinen süßlich-klebrigen R’n’B-Vibes als Highlight heraussticht, zeigt dies, dass Celo & Abdi sich musikalisch wie thematisch häufiger aus der Komfortzone trauen sollten.

Text: Daniel Welsch

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