KDM Shey macht Rap auf Deutsch, aber seine Musik tauft er liebevoll »Schlager mit Verlängerung«. Aufdringlich melodiöse Autotune-Gesangsspuren schmiegen sich an lupenreine Trap-Banger, die im Zuge von Sheys wahnwitziger Crackküchenromantik unwillkürlich in den Hintergrund rücken. Mindestens so exzentrisch wie sein Sound ist auch sein Auftreten: Bei unserem Treffen huscht mein Blick von seinem protzigen Pelzmantel zur Handfeuerwaffe, die die Haut seiner Schläfe ziert. KDM Shey sieht aus, wie seine Musik klingt.
Dabei beginnt Sheys musikalische Karriere im klassischen Milieu: Mit vier Jahren beginnt er, auf eigenen Wunsch Geige zu spielen. Als angebliches Wunderkind wird der Sohn iranischer Einwanderer von einem Musiklehrer zum nächsten gereicht, spielt bereits im einstelligen Alter im Orchester. Während er bis zu seinem zwölften Lebensjahr ausschließlich Klassik hört, beginnt mit 13 der Ernst des Lebens: »Die typische Kanaken-Jugend« nennt Shey diese Phase, in der er ein beachtliches Vorstrafenregister anhäuft. Die Geige tauscht er gegen Gerichtsverfahren ein. »Ich habe auf so einem hohen Niveau gespielt, da war eine halbe Stunde pro Woche keine Option. Ganz oder gar nicht.« Mit der Waffe verdiene man sich leichter Respekt als mit der Geige, erklärt er grinsend. Oder eben mit Rap. Als »dreistes Bastard-Gebite« bezeichnet er seine ersten Gehversuche am Mikrofon. Sheytan nennt sich der vom Berliner Untergrundrap beeinflusste Knirps damals. Später wird er den Namen mit Shey abkürzen und KDM, ein Akronym für Kalash Dadash Musik, voranstellen. Als Shey 16 wird, bewegt ein Stellenangebot in den USA die Familie zur Ausreise – und sein erster Urlaub auf Staatskosten steht an. Unter der Maxime, dass der junge Straftäter das Land verlässt, sehen Richter und Staatsanwalt aber von einer längeren Jugendhaftstrafe ab.
Nach einem transatlantischen Tapetenwechsel kommt der junge Rapper via MySpace mit Basstard, wegen dem er damals zu rappen begann, in Kontakt und bei dessen Label Horrorkore Entertainment unter Vertrag. Nach einigen Stippvisiten in Berlin erscheint 2008 der Labelsampler »Zeitzeugen«. Kurz bevor er für die Aufnahmen seines Soloalbums einen längeren Berlin-Aufenthalt plant, geht es jedoch wieder vor Gericht. Nach halbjähriger Überwachung wird wegen Drogendelikten eine vierjährige Ausreisesperre verhängt. Die Musik liegt erst mal auf Eis. Dafür wird geheiratet. Die Jahre ohne Musik beschreibt er als seine schlimmste Phase: »Ich habe mich nie so tot gefühlt. Ohne Frau und Kinder wäre mir mein Leben wohl gleichgültig gewesen. Die Musik hat mir unglaublich gefehlt.« Travel Ban und Musikabstinenz sind mittlerweile passé. Sein Solodebüt »Dadash mit Verlängerung« ist endlich fertig und erscheint dank moralischer Unterstützung von Crystal F in Eigenregie. Den finanziellen Aufwand trägt Shey selbst. Das Album entstand »Aus Liebe zu Gewalt und Autotune«, wie der Untertitel treffend zusammenfasst. Es strotzt nur so vor Schlageresken Symphonien, Auto-Tune-Effekten, die er schon immer liebte und – vergleichbar mit der E-Gitarre zur Akustik-Gitarre – als Upgrade für die Stimme empfindet. Verspielt tänzelt Shey auf dem Drahtseil zwischen irrsinnigen Kalauern und markerschütternder Brutalität, eingängigem Singsang und Chiraq-Härte. Und: Er gibt eine gute Figur dabei ab.
Text: Skinny
Foto: H.W.A. KDM
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