Als Brian De Palma Mitte der Achtziger seinen vollgekoksten Anti-Helden Tony Montana in den tödlichen Showdown schickte, war Rap auf Deutsch schlichtweg undenkbar. 34 Jahre später inspiriert Schnuff auf Kommi die spannendsten Rap-Entwürfe in Almanya, und das Rhein-Main-Gebiet hat sich zur Scarface-Kulisse gewandelt – mit jeder Menge schwerbewaffneter, risikofreudiger Einwandererkinder und auftrumpfendem Synthie-Bombast (nur mit schlichtweg weniger Sonne als im Miami der Achtziger). Auftritt Soufian: Ein gerade eben Volljähriger träumt auf seinem Debüt vom gepuderten Scheineregen – und wenn er dafür draufgehen möge. »Allé Allé« ist Generation-Azzlack-Label-Premiere und Soufian-Debüt zugleich und schürt als Doppeleinstand nicht nur entsprechende Erwartungen, sondern weiß auch angemessen zu bedrücken. »Hab die Straße im Blut« eröffnet das als Mixtape getarnte Album mit finsteren Sci-Fi-Flächen und aufgekratztem Synth-Arpeggio. Kompromisslos erklärt Soufian darauf das Maximal-Kapital zu seinem Lebensziel – auf dem Weg dahin zieht man Handys ab, entleert die Kalash und geht überhaupt über Leichen. Was dann über eine Stunde lang folgt, ist die Ausschmückung dieser Geschichte in immer absurderen Zuspitzungen und unter paranoiden Synthie-Beat-Vorzeichen. Soufian sieht Rap sportlich. Und das mindestens achtzig Track starke Training für »Allé Allé«, von dem er vorab in Interviews immer wieder gesprochen hat, hört man dem jungen Hafti-Protegé in jeder Sekunde an. Soufian schneidet Silben mit der Rasierklinge und versteht seine Stimme als Instrument. Das erinnert an den auf »Film« gefeatureten Kollegen Nimo, an anderer Stelle hört man die ebenfalls gastierenden Celo & Abdi (»Vollgas«) als Inspiration (»Geh nicht in Knast«). Sieben Jahre nach »Azzlack Stereotyp« verkörpert Soufian tatsächlich eine neue Generation Azzlack, die sich ihres Könnens nicht sicherer sein könnte – sich aber in Sachen Produktion durchaus mehr Ausreißer erlauben könnte. Mit »Film« bleibt auf »Allé Allé« ein einziger melancholischer Austritt, der in dieser Form auch ein Future-Release hätte schmücken können. Der Rest wird zu einem engen, paranoiden Drum-Dickicht, in dem man schnell den Überblick verlieren kann. So wie Tony, kurz bevor er seinen »little friend« vorstellt.
Text: Wenzel Burmeier