Bereits als das Phänomen Odd Future noch nur Eingeweihten ein Begriff war, speiste sich ein nicht unerheblicher Teil der Sogwirkung dieser ganz speziellen wilden Kerle durch die verstörenden, gewalttätigen und düsteren Musikvideos. »French« stellte OFWGKTA als eine Truppe von anarchischen Skate-Kids vor, auf »VCR« präsentierte Tyler der Welt erstmalig vor der Kamera sein psychopathisches Alter Ego Wolf Haley und »Earl« war letztlich dafür verantwortlich, dass Odd Future sich innerhalb kürzester Zeit zum meist-diskutierten Kollektiv der Popkultur entwickeln konnte.
Ein wirkliches Massenphänomen wurde das Thema trotzdem erst, nachdem der Clip zu »Yonkers« (und der Auftritt bei Jimmy Fallon) in wenigen Tagen die Millionen-Marke knackte.
Mittlerweile darf sich das kreative Mastermind der Truppe »Goblin« sei Dank über eine Top 5-Platzierung in den Billboard-Charts und ein erheblich größeres Budget für die Video-Produktionen, die im Hause Odd Future ebenfalls allesamt auf dem Mist von Tyler wachsen, freuen. Dementsprechend wirkt das Video zu »She« mit dem zukünftigen Superstar Frank Ocean auf den ersten Blick, vor allem der hervorragenden Kamera-Führung zum Dank, deutlich aufpolierter. Die erzählte Geschichte ist dabei aber nicht weniger verstörend als der Song, den Tyler, the Creator aus der Perspektive eines besonders gruseligen Stalkers geschrieben hat und zeigt die zwei wichtigsten Seiten seiner gespaltenen Künstler-Persona. Auf der einen Seite steht Wolf Haley, der maskierte Dämon, der die Nilbog (=Goblin) Lane heimsucht und in der Nacht in das Haus der Angebeteten eindringt. Auf der anderen steht ein junger Mann mit schwarzen Pupillen, der sich in Tagträumen seinen Wunschvorstellungen hingibt. Damit fungiert »She« nicht nur als kurzweilige Unterhaltung sondern auch als perfektes Sinnbild für die vielleicht größte Stärke von Tylers hervorragendem zweiten Album, dem Spiel mit verschiedenen Charakteren.