Boogies Welt ist rot. Die Bucket Hats seiner »Familie«, der Bloods, sind so rot wie das Blut, das ihm vor einigen Jahren aus einer klaffenden Schusswunde lief. Ein weiterer Jugendlicher aus Compton an die Straßen verloren? Der Tod jedenfalls ist omnipräsent. Wenn nicht der, dann sperrt man die jungen Verlierer des Systems weg. Oft lebenslänglich. Boogie ist 25 und hat sich gegen Knast und Gewalt entschieden. Jetzt macht er Musik. Das ist gut so, denn schon sein Debüt »Thirst 48« machte die Blogger von London bis New York ganz wuschig. »The Reach« ist die logische Weiterentwicklung eines musikalischen Gangmembers, der so gar nicht in aggressive Drill-Klischees passen will. Denn Boogie verzichtet auf Hedonismus und übertriebenes Waffengelaber, schiebt die rollenden Hi-Hats weitestgehend beiseite. Er bleibt melodiös und vor allem: ehrlich. Anstatt die Namen von High-Fashion-Marken runterzurattern oder die Frauen des Landes zu beglücken, hinterfragt Boogie lieber sich selbst und seinen Werdegang. Er spricht über das Verhältnis zu seinem Sohn und zu Gott, über gescheiterte Beziehungen und die andauernden Missstände in den Projects. All die sinnlose Gewalt und all die Perspektivlosigkeit machen nicht nur Boogie wütend, sondern auch den Hörer. Klar, das sind Themen, die schon tausendfach auf Rapalben besprochen wurden, doch hier tut die Ehrlichkeit besonders weh. Ohne Scham lässt Boogie uns an seinem Innenleben teilhaben. All das mündet in »Intervention«: »I need help with my feelings«, singt er mit gebrochener Stimme. Ein Kloß im Hals, man möchte ihm helfen. Jazz und Soul tragen die beklemmende Stimmung. Mehr Rhodes als Synthesizer. Mehr Gesang als Adlib-Übertreibungen. So lange, bis sich die Anspannung in einem waschechten Hit entlädt: »Oh My«. Hier peitschen die Hi-Hats und Synthies doch noch progressiv durch die Gassen Comptons. Ein kurzes Ausrasten. Das war nötig. »The Reach« will einen dann nicht so recht loslassen. Selten war ein Rap-Album in letzter Zeit so emotional.
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