Als die Hamburger Sprüh-Koryphäe OZ am 25. September 2014 bei der Ausübung seiner Berufung auf den S-Bahn-Gleisen der HVV zu Tode kommt, ist das Medienecho erstaunlich groß – und zwar nicht nur in den gängigen Szenemedien, sondern auch in der sogenannten seriösen Tagespresse. In der dazugehörigen Rückschau auf sein Werk wird vor allem auf die Tags und Smileys Bezug genommen, die sein Schaffen geprägt und die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Doch OZ war weit mehr als nur passionierter Tagger. In unserer mehrseitigen Hommage, unserem bebilderten Nachruf, widmen wir uns daher einer anderen Seite von OZ, die zwar weit weniger bekannt, aber nicht weniger spannend ist – der des Künstlers im seriösen Kulturbetrieb und seinen Arbeiten für die OZM ART Space Gallery in Hamburg.
Man fand eine Sprühdose und ein frisch gesprühtes Namenskürzel neben dem Mann, den die Hamburger S-Bahn erfasste – so zumindest die offizielle Version, die die Polizei verbreiten lässt. Schnell macht jedoch die Nachricht die Runde, dass man es kaum fassen könne, was die sozialen Medien verbreiten. Doch am nächsten Tag steht es auch auf den Titelseiten der Zeitungen: Es war nicht irgendwer, der dort starb, es war OZ, einer der bekanntesten Sprayer Hamburgs. Er hinterlässt uns eine Menge Bilder und eine ungemein große Anzahl an Tags. Eine grobe Schätzung beläuft sich auf etwa 120.000 Stück – und das ist wahrscheinlich stark untertrieben. In Hamburg gibt es wohl kaum einen Platz, an dem er nicht war. Egal, wohin man geht, wohin man schaut – OZ war schon da. Die längsten Wände an den unmöglichsten Stellen, dazu Kringel, Parolen, Smileys und immer wieder OZ, OZ, OZ. Und es geht wohl noch einiges mehr auf sein Konto. Die Stadt trägt seine Handschrift, niemand war mehr »All City« als er, niemand weltweit. Er, alleine für sich, und dann doch für alle, ob sie nun wollen oder nicht. Kompromisslos, roh und unverblümt, bunt gegen grau. Seine Bilder und Tags sind noch da, die bleiben wohl auch noch einige Jahre. Das letzte hat er nun gemacht – wie immer, noch eins oben drauf.
Früher war man sich nie so recht einig, was das alles ist, die Szene redete bei OZ’ Bildern von Hintergründen; so ganz passte das nicht zu dem, was man gemeinhin als Graffiti kannte. Es dauerte ein paar Jahre, bis sich Graffiti öffnete, weiterentwickelte, und im Zuge dessen erfuhr auch OZ mehr und mehr Akzeptanz. Anpassung: Fehlanzeige. OZ blieb »gegen die Norm«. Da passt auch die Aktion der Fankurve des 1. FC St. Pauli: Sie spickt sich komplett mit Smileys und zollt ihm so ihren Tribut. Ihm, der zu Lebzeiten wohl eher selten Akzeptanz erfuhr, der es mehr als schwer hatte und auch mehrere Jahre hinter Gittern verbringen musste. Trotzdem machte er weiter – unbelehrbar, unzerstörbar.
Dieser Fakt macht auch die Diskussion, ob das nun Kunst ist oder nicht, obsolet. Die Kompromisslosigkeit seiner Mission, die Stringenz der Ausführung, die Enthaltsamkeit, die Einzigartigkeit – ganz klar Kunst. Und in der Kunst sind die Meinungen oft gespalten: Die einen haben ihn nie verstanden, die anderen haben ihn und seine unkonventionelle Art geliebt.
OZ wird eine große Lücke hinterlassen, das steht fest. Man merkt es bald in ganz Hamburg, viele Sprüher zollen ihm umgehend ihren Respekt. Jeder, der Graffiti liebt, ist betroffen. Es rollen komplette Zugwaggons mit OZ-Tags über die Schienen, etliche Bilder werden ihm gewidmet, viele Sticker werden verklebt. Und wieder ist OZ allgegenwärtig. Es lebe der Sprühling. ◘
Text: Nils Ismer
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Zum Autor:
Nils Ismer lebt und arbeitet in Hamburg, macht Arbeit, Kunst und Urbanes. Er arbeitete an den Veröffentlichungen »Es lebe der Sprühling« sowie »OZ – zwischen Kunst und Revolte« mit und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema OZ.
Fotos: OZM Art Space Gallery
Dieser Nachruf erschien zusammen mit einer Bilderreihe von Werken des Künstlers in JUICE #163 (hier versandkostenfrei nachbestellen).