Wollte man einem Unwissenden die eigene für die 187 Strassenbande empfundene Faszination näherbringen, so müsste man sich auf dem dritten Labelsampler der Crew aus Hamburg-West wohl bis zum 14. der 17 Tracks gedulden. Nicht, dass die bis dahin vorgetragenen Songs enttäuschen würden; ganz im Gegenteil. Doch »Compton« von LX erweist sich als lupenreines Destillat der 187-Essenz. Hier trifft die magengrubendurchdringende Bassline aus dem Synthie von Strassenbanden-Stammproduzent Jambeatz auf abstrus-grandiose Reimketten (»Lexus, Rinderbraten, Schreckschuss, Kindergarten«), bevor das Stück in einer Hook mit zwei Oktaven gipfelt, die LX und Bonez allen Ernstes dazu nutzen, ihre Hörer in Compton willkommen zu heißen. Letzteres Detail veranschaulicht dann auch bei genauerer Betrachtung, worauf der Mythos 187 fußt: Hier zulande existiert nämlich de facto keine andere Rapcrew, die ihre Hörer per Refrain in einem Stadtteil von L.A. begrüßen könnte, ohne dafür lediglich Häme und Spott zu ernten. Überhaupt hebelt die Strassenbande gängige Mechanismen und vermeintliche Gesetze für qualitativ hochwertigen Straßenrap zielstrebigst mit jenem ureigenen musikalischen Entwurf aus, der auch imaginäre Ortswechsel in von Bloods und Crips dominierte Territorien im Vorbeigehen legitimiert. Statt Hamburger Schietwetter scheint den 187ern und ihren Reimgästen (u.a. Kontra K, Momo, Hanybal, Fatal) über weite Teile des Crew-Albums die kalifornische Sonne aus’m Arsch. Auf instrumentaler Ebene bedeutet das: Hanse-G-Funk meets deutsche Mustard-Adaptionen und bewusst krude Synthie-Bretter, während textlich vor allem Babaks geraucht, Ot verkauft und Schnapp gemacht wird. Dass all das auf raptechnisch hohem Niveau geschieht und man mit Bonez und Maxwell zwei absolute Ausnahme-MCs zum Banden-Roster zählt, sorgt letztendlich nicht nur für Hörvergnügen. Nein, diese Mischung bringt die Strassenbande der mit breiter Brust angestrebten Game-Übernahme wieder ein ordentliches Stück näher.
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