(Aftermath/Interscope/Universal)
Eminem ist out, man kann es gar nicht anders sagen. Das ist so, obwohl kommerziell gesehen noch immer niemand Marshall Mathers das Wasser reichen kann. Dennoch, oder gerade deswegen, zieht dieser Tage beinahe jeder, der auf sich und seinen Musikgeschmack große Stücke hält, über das neue Werk des erfolgreichsten Rappers aller Zeiten her. Die Erklärung dafür ist so banal wie enttäuschend: Die Art von Alben, wie Eminem sie schon immer gemacht hat, wirkt heute aus der Zeit gefallen. Die käsigen Hooks und der zeitweise unangenehm alberne Humor, Dinge, die man als Teenie noch unvorbelastet feiern konnte, lassen den geschmacklich geschulten Nerd von heute aufjaulen. Der feiert eben Coolness-Amalgame wie »LiveLoveA$AP« oder kompromisslose Underground-Manifeste wie »Doris«. Doch für solche Dinge war Eminem nie zu haben. Er wollte immer die große Geste, den Blockbuster. Und so ist auch »The Marshall Mathers LP 2« ein überlanges, streckenweise überforderndes Album voller 7-minütiger Wüterich-Manifeste, Referenzen auf die eigene Vergangenheit, in Richtung der Def Jam-Anfangsphase blickender Schweinegitarren-Samples sowie Gastauftritte von Rihanna und Konsorten. Und damit vielleicht die beste Platte, die der fraglos noch immer technisch atemberaubende Eminem an diesem Zeitpunkt seiner Karriere hätte machen können. Denn wenn man sich die Zeit nimmt und diesem Mann abseits seiner makellosen Reimtechnik wirklich zuhört, erkennt man nach wie vor den innerlich Zerrissenen von damals. Die drastischen Verwünschungen in Richtung Kindesmutter sind immer noch da und Slim Shady gibt weiterhin die politisch unkorrekte Drecksau. Zudem ist »MMLP2« tatsächlich die vom Künstler angekündigte Rückschau auf die erste »Marshall Mathers«. Der obsessive Fan aus »Stan« bekommt seine Rache in Gestalt seines Bruders und Eminem bemüht sich, Frieden mit seiner Mutter zu schließen. »MMLP 2« ist eine Platte voller Zündstoff und deswegen eine gute. Trotz der teils schwer zu verdauenden Hooks von Chanteusen wie Skylar Grey, gibt sie einem mehr Futter für die Gedanken als es im aktuellen US-HipHop so üblich ist. Eminem mag nie ganz in unserer schnelllebigen Zeit angekommen sein. Aber darüber sollten wir uns freuen.
[…] https://35.198.85.242/review-eminem-the-marshall-mathers-lp2/ (Abgerufen am 12. Januar 2014) […]