Zum Release-Date seiner »Russian Roulette«-LP spendiert Alchemist heute einen Mix, bestehend aus den Original-Quellen der Samples seiner unzähligen Produktionen für Mobb Deep, Dilated Peoples, Lil Wayne, Nas, Action Bronson und so gut wie jeden anderen namhaften US-Ami-Rapper. Dazu gibt es das Video zum Song »Flight Confirmation« mit Danny Brown und Schooboy Q, für das Jason Goldwatch wieder mal die abstrusesten Youtube-Clips zu einer großen Collage verarbeitete.
Zu viele Wiesen wurden von den üblichen Verdächtigen der Beatdiggin‘-Welt bereits umfassend gemäht: türkischer Funk, indischer Bollywood, afrikanischer Jazz, brasilianische Songwriter. The Alchemist hat trotzdem noch einen weißen Flecken auf der Weltmusik-Landkarte gefunden, dem noch kein größeres Beat-Tape-Projekt gewidmet wurde: russische Prog-Rock. Aus verkopftem 70er-Fusion-Jazzrock, kaukasischer Psychedelia und grotesken UdSSR-Übersetzungsplatten hat der Loop-Freak 30 Beats gebaut, die er in der Folge von befreundeten MCs mit bösen Sechzehnern berappen ließ und zu einem echten MIxtape im eigentlichen, ursprünglichen Wortsinne verknüpfte. Einem Mixtape, auf dem alle paar Minuten ein Mörder-MC vom Kaliber Danny Brown, Action Bronson oder Roc Marciano durch das Dickicht schleicht. Natürlich sind auch alte Weggefährten wie Evidence, Big Twins oder Fashawn mit von der Partie, aber selbst völlig unbekannte Namen wie Boldy James, Midaz oder AG Da Coroner bekommen hier einen Freischuss. Musikalisch entwickelt Mr. Maman seine bevorzugte Technik der letzten paar Jahre weiter, indem er eigentlich nur möglichst roh geschnittene Loops aneinanderklebt, sie aber in aller bester »Donuts«-Manier schnell genug aufeinanderfolgen lässt, dass man niemals Gefahr läuft, sich zu langweilen.
Am Ende des Albums gibt es mit dem achtteiligen »The Kosmos«, bei dem an jedem Anspielpunkt ein völlig neuer abstruser Beat einsetzt, sogar eine kleine Hommage an die »B-Boy Bouillabaisse« auf dem Beastie Boys-Diggerklassiker »Paul’s Boutique«. Eine Bouillabaisse ist allerdings immer nur so gute wie die Qualität ihrer Zutaten und Gewürze: Mit den geschmackssicher herausdestillierten Prog-Rock-Elementen von entrückten Gitarrengeniedel über böse hinkende Breakbeats bis hin zu epischen Streicherbombast öffnet unser Junge Al auf »Russian Roulette« ein Klanguniversum, in dem man sich instinktiv zurechtfindet, wo aber alles mal wieder neu und frisch wirkt.
Die Geschichte der PLatte wird nicht in den zwar durchwegs stark gerappten Wildstyles der MCs erzählt, sondern auf der Ebene der ultrapsychedelischen Instrumentals. Kein Producer-Album, sondern die Kreation eines musikalischen Jäger und Sammlers. Um bei der Bouillabaisse zu bleiben: Dies wäre eine mit Wolfsbarsch und Lagusten.
(scs)