Bei »Spotlight« stellen wir euch Künstler*innen, Labels und Projekte jeglicher Art vor, die gerade am Anfang stehen oder noch unter dem Radar des Mainstreams stattfinden. Maura x Fred Red haben zuletzt ihr Debütalbum »Grimus« veröffentlicht und entführen im HipHop verwurzelte Musik in die Welt von Jazz und Soul.
Wer das Album zum ersten Mal abspielt, wird sich im ersten Moment vielleicht wundern, warum hier von HipHop gesprochen wird. Es rauscht und knarzt, während Streicher, ein warmer Bass, ein Piano und sogar eine Flöte die Gesangsstimme von Maura spielerisch begleiten. Die Stimme der Sängerin und Rapperin gleitet smooth über dieses liebevolle Arrangement, das ohne Drums auskommt, und eröffnet »Grimus« mit dem Song »hold me with your fingertips« auf melancholisch-romantische Art und Weise. Der Genre-Switch folgt im zweiten Song »Salman Rushdie«, der von Produzent Fred Red mit hereinkrachender Kick und Snare eröffnet wird, während Maura schnelle Flowpassagen neben der melodischen Hook platziert. Das Spielen mit diversen Einflüssen und Stilrichtungen, von Jazz über Soul bis zu HipHop, führt sich über die gesamte Spielzeit der Albums fort und macht eine starre Kategorisierung genauso unmöglich wie unsinnig. Denn das, was Maura und Fred Red auf »Grimus« bieten, ist die perfekte Ausführung dessen, was so viele Künstler*innen gerne von sich behaupten, aber meist doch nicht schaffen: Sie fahren ihren ganz eigenen Film.
Aber von vorne: Kennengelernt haben sich Maura und Fred Red über Soundcloud und irgendwann zieht Fred Red nach Berlin, wo sich sich eine Freundschaft entwickelt. Musikalisch liegt der Fokus aber erstmal auf Soloprojekten der beiden, obwohl gemeinsame Projekte durchaus ein Thema sind, wie die beiden erzählen: »Es stand immer im Raum, gemeinsam Musik zu machen, allerdings haben wir nie Zeit dafür gefunden. Eines Tages haben wir dann eine Session gemacht und der Track „Role Games” ist entstanden. Wir haben gemerkt, dass die Kombo aus uns beiden sich musikalisch sehr gut ergänzt. Der musikalische Funken ist übergesprungen.« Das Video zu dieser ersten Zusammenarbeit ist als JUICE Premiere erschienen und schon dort tauchten in den Kommentaren Vergleiche mit der legendären Sängerin Erykah Badu auf, deren Kunst sich ebenfalls zwischen Soul, Jazz und HipHop einordnet. Angesprochen auf die vielfältigen Genre-Einflüsse erklären Maura und Fred Red, dass sie sich keine Grenzen setzen, um in irgendeine Schublade zu passen: »Man kann auf jeden Fall sagen, dass uns beide ein gemeinsames Hörverständnis verbindet und wir Musik sehr ähnlich aufnehmen und verstehen. Jazz ist für uns weniger ein Musikgenre sondern viel mehr die Attitude, wie wir an Musik rangehen. Unsere musikalischen Hintergründe ähneln sich insofern, dass wir, um Malik Diao zu zitieren, „Kinder des HipHops sind”. Im Grunde versuchen wir neuen, frischen Sound zu kreieren, der uns Spaß macht und vermeiden es, verstaubten BoomBap-Sound zum tausendsten Mal zu kopieren.«
»Jazz ist für uns weniger ein Musikgenre sondern viel mehr die Attitude, wie wir an Musik rangehen.«
Maura und Fred Red über ihr Verhältnis zu Genres
Malik Diao ist nicht nur eine gute Quelle zum Zitieren, sondern ein wichtiger musikalischer Bestandteil des Albums. Die Credits von »Grimus« attestieren ihm das Beisteuern von Keys, Synths, Flöte, Klarinette, Gitarre, Bass und Mandoline auf mehreren Songs. »Malik Diao ist ohne Frage ein musikalisches Blessing und unsere Geheimwaffe in Sachen Song-Arrangement. Er checkt unseren musikalischen Vibe und versteht es, diesen immer perfekt zu vervollständigen. Oft haben wir mit ihm Instrumental-Skizzen online vorgefertigt. Als das Album sich dann der Fertigstellung genähert hat, ist Malik nach Berlin gekommen und hat mit uns zusammen die letzten Feinheiten recordet.« Auch Or Rozenfeld, Jonas Kothmeier und Pier Ciaccio haben instrumentale Parts beigesteuert und tragen zu einem abwechslungsreichen Soundbild bei, das von Samples erweitert wird. »Or Rozenfeld, welcher einige Basslines für uns eingespielt hat, ist Fred Reds Mitbewohner und spielt mit Maura in einer Band, Malik Diao und Fred Red kennen sich noch von früher aus der Heimat – it’s a familything«, erklären Maura und Fred Red die organischen Verbindungen. Der kreative Prozess des Duos beginnt noch immer mit Sessions, in denen Ideen gesammelt werden: »Wir nehmen uns meist zwei, drei Tage am Stück Zeit, um Sessions zu machen und in die Zone zu gelangen. Je nach Stimmung entscheiden wir dann in welche Richtung es geht. Manchmal hören wir Samples durch, an anderen Tagen arbeiten wir mit eigener Instrumentalisierung – meistens beidem. Wir hören beide viel Musik und da bleibt natürlich einiges im Ohr, was als Inspiration dient. Genauso inspirieren wir uns aber auch gegenseitig – manchmal gibt es eine Idee, die von dem anderen vervollständigt wird, wie in einem Gespräch.«
Inspiration haben die beiden auch aus dem Werk des Autors Salman Rushdie gezogen, nach dem nicht nur der zweite Song des Album benannt ist: »Ausschlaggebend war der Roman „Grimus“ von Rushdie, über welchen wir auch immer wieder in unseren Pausen gesprochen haben. In Rushdies Erzählungen spielen Themen wie Vergänglichkeit, Ego und Identität eine große Rolle – das sind Themen, die auch auf dem Album vorkommen. Als das Album im vorgeschrittenen Stadium war, hatten wir das Gefühl, dass unser Sound atmosphärisch gut in ein Buch von Rushdie passen würde. Beides ist schwer einzuordnen, mal melancholisch, mal weird und man weiß nie, was einen als nächstes erwartet.« Rushdies Schreibstil wird als »magischer Realismus« bezeichnet, vermischt das Real Life mit Fiktion und bietet das Potential, zu träumen. Auf die Frage, ob der Song »Salman Rushdie«, in dem ein Alien auftaucht, den eskapistischen Wunsch vermittelt, auf einen fremden Planeten zu entkommen, gibt es passenderweise eine zweigeteilte Antwort. Die pragmatische lautet: »Ja schon, aber Sichtexot hat leider kein Budget für Spaceships.« Die träumerische Variante lässt mehr Surreales offen: »Im Song schaut ja ein Alien auf uns Menschen und unser Handeln und zieht Bilanz. Solch ein Alien, das uns Menschen eine Ansage macht, damit wir nicht nur in unseren Bubbles gefangen und Ego-gelenkt durch die Welt rennen, wäre schon ein wünschenswertes Szenario.«
»Wir sehen uns als musikalische Soulmates«
Maura und Fred Red über ihre Arbeit als Duo
Sichtexot, erklären Maura und Fred Red, sei übrigens das richtige Label gewesen, weil dort dieselbe Leidenschaft für Edgyness geteilt werde. Die kreativen Ausflüge von Maura und Fred Red sind im besten Sinne Untergrundmusik, die mit Sicherheit Nerds und Liebhaber*innen am allermeisten anspricht. Bock auf ein großes Publikum haben die beiden trotzdem: »Ob der Sound am Ende Anklang findet oder nicht, beeinflusst unser Machen nicht sonderlich. Aber natürlich haben wir Bock, Resonanz zu bekommen und unsere Musik unter möglichst viele Menschen zu bringen. Wir hegen da keine Underground-Romantik. Wir haben zwar extrem viel Spaß daran, Genregrenzen und übliche Muster zu sprengen, freuen uns aber auch, wenn wir bei einem Track das Gefühl haben, das ist ein Banger, der einer breiten Hörerschaft gefallen könnte.« Dafür soll spätestens nach der Pandemie gesorgt werden, die auch am Duo nicht spurlos vorbeigegangen ist. »Die Pandemie hat uns alle natürlich arg eingeschränkt, vor allem was Gigs und die Motivation angeht. Gleichzeitig hatten wir beide dadurch aber auch viel mehr Zeit als sonst und konnten uns der Musik intensiv im Studio widmen. Die Schwierigkeiten der Pandemie waren aber dennoch ein stetiges Thema, da uns klar war, dass jegliche Aussicht auf Touring wegfällt. Das hat uns schon sehr runtergezogen.« Hoffnung gibt aber, was in der nahen Zukunft passieren wird. Nachdem das Album am 7. Mai erschienen ist, sollen weitere Singles erscheinen, die in der Zwischenzeit aufgenommen wurden. Auch das nächste größere Projekt ist bereits in der Planung und erste Konzertanfragen trudeln bei Maura und Fred Red ein. Das Debütalbum »Grimus« legt damit den Grundstein für eine hoffentlich lang anhaltende Zusammenarbeit: »Wir sehen uns als musikalische Soulmates. Zusammen Musik zu machen ist so gesehen nicht mehr wegzudenken.«
»Grimus« ist am 7.05 bei Sichtexot erschienen.
Text: David Regner
Foto: Matthias Erhardt