In unserer Reihe »Overlooked« legen wir euch Musik ans Herz, die bisher keine Berücksichtigung auf juice.de gefunden hat, aber sehr hörenswert ist. Sei es, weil die Releasewoche zu voll war, weil andere Termine anstanden oder weil ein Release schlicht unter dem Radar geblieben ist – während man aufgrund des Coronavirus Zuhause bleibt und versucht, physische Interaktionen zu meiden, bleibt genug Zeit, diese Versäumnisse aufzuholen.
Mit dem Leonard Simpson Duo stellt sich ein Team vor, das international connected ist. Bereits bekannt sollte Guilty Simpson aus Detroit sein, der die Motor City schon seit den 90er-Jahren mit seiner Musik represented. Unter dem Namen Guilty war der Rapper in der Gruppe Tha Almighty Dreadnaughtz aktiv, seine Solokarriere wurde von J Dilla gefördert, der an seinem Debütalbum »Ode to The Ghetto« mitarbeitete, in den letzten Jahren beteiligte sich der Rapper immer wieder an verschiedenen Kollaborationsprojekten. Sein Partner für »LSD« ist Produzent Leonard Charles aus Neuseeland, der auf eine lange Liste an Projekten zurückblicken kann und unter anderem mit Soulsängerin Randy Crawford auf Tour war, die Red Bull Academy in Südafrika besucht hat und in Neuseeland bereits Preise für seine Produktionen gewann. Um die wichtige Frage zu klären, wie der Kontakt zustande kam? Leonard Charles hat Guilty Simpson, der ein Konzert in Auckland gespielt hat, angesprochen und vorgeschlagen, gemeinsame Musik zu machen. Aus der Idee einer EP wurde ein ganzes Album, das beim Berliner Label Jakarta veröffentlicht wurde, das für seine internationale Bandbreite bekannt ist.
Logischerweise leitet sich der Albumtitel »LSD« von den Namen der beiden Künstler ab, passt aber auch zur musikalischen Ausrichtung der LP. Denn Leonard Charles begibt sich mit seinen Produktionen zurück zum Psychedelic Rock der 70er-Jahre und gibt der Anspielung auf die Droge LSD damit allemal Kredibilität. Statt auf Synthesizern bauen die Loops meist auf schrammelnden Gitarren auf, die die Beats zeitlos und eher wie das Recording einer Band wirken lassen. Die Drums unterstützen die Verses von Guilty Simpson zwar meist mit klassischen Rap-Pattern, allerdings stoppt das Konzept von »LSD« nicht bei diesen klassischen Mustern, sondern switcht gekonnt zu Rockmusik und baut, wie im Track »Nobody«, minutenlange Instrumental-Parts, gespickt mit Soli von angenehm kratzigen Gitarren, synthetischen Bassläufen und befreiten Drums ein.
Was Guilty Simpson dazu am Mic liefert, ist von der jahrelangen Erfahrung des Detroiters geprägt und schlichtweg souverän. Guilty muss niemandem etwas beweisen, hat seine Skills unzählige Male zur Schau gestellt und sich seine verdiente Reputation in der Szene längst erarbeitet. Statt sich selbst in seiner Rolle als Rapper zu überhöhen, gibt er sich reflektierend, zeigt, dass er erwachsen ist, und arbeitet verschiedene Episoden seines Lebens auf. Das führt zu Bekundungen von Dankbarkeit gegenüber all jenen Menschen, die ihn als Künstler inspiriert haben, mündet in einer ehrlichen und teilweise reumütigen Erklärung an seine Ex-Freundin und thematisiert all dies in einer dopen, erhabenen und unpeinlichen Art und Weise.
Am Ende darf selbstverständlich auch der obligatorische Kiffertrack mit dem Titel »Smokin‘ Good« nicht im Repertoire fehlen. Doch selbst diese klassische Themenwahl kann beim Leonard Simpson Duo so viel mehr, als nur einen Standard zu erfüllen, und zeigt auf guten sechs Minuten Spielzeit, wie ein organischer Beat zwischen Classic HipHop und Psychedelic Rock im Zusammenspiel mit den selbstbewussten Zeilen, die Guilty Simpson mit tiefer Stimme wegflowt, eine hypnotische Wirkung erzeugen kann. LSD ist die gelungene Zusammenkunft eines gestandenen Rap-Verterans und einer musikalischen Vision, die Genregrenzen überwindet.