Nachdem der Plusmacher 2012 sein Studium der »Bordsteinwirtschaftslehre« mit Bestnoten abgeschlossen hat, begann für ihn der Weg durch die »Freie Schwarzmarktwirtschaft« namens Musikindustrie. Mit dem neuen Album »Hustlebach« endet nun ein Kapitel in der Karriere des Magdeburgers. Und zwar mit Bezug auf den Ort, an dem alles begann.
Plusmachers frühesten Erinnerungen an den Magdeburger Hasselbachplatz, einen ehemaligen sozialen Brennpunkt, stammen noch aus seiner Kindheit: »Ich bin in Magdeburg geboren und in der Platte direkt am Hassel großgeworden. Mit 16, 17 hatte ich da meine erste eigene Wohnung«, erinnert er sich. Hier werden die ersten krummen Dinger gedreht, aber auch die ersten Rapversuche unternommen, bevor es ihn 2012 nach Berlin verschlägt. Wie im strukturschwachen Sachsen-Anhalt häufig üblich, zieht es auch seine Jungs in andere Städte, und die Verbindungen in die Heimat reißen nach und nach ab. Gleichzeitig schlägt am Hassel die Gentrifizierung zu, die Plattenbauten werden abgerissen und es entstehen teure Eigentumswohnungen. Auch deshalb ist »Hustlebach« eine Art Abschluss: »Wenn ich in Berlin bin, fühle ich mich mittlerweile mehr zu Hause. Trotzdem vergesse ich nicht, wo ich herkomme.« Der Hasselbachplatz wird also auch in Zukunft nicht aus den Lyrics des Rappers verschwinden.
In der Hauptstadt angekommen, besinnt sich Plusmacher zunächst auf seine Fähigkeiten als Geschäftsmann und veröffentlicht seine ersten beiden Alben »BWL« und »FSW« in Eigenregie. Mit seinen unterhaltsamen Tickerstorys und seinem markanten Schnauzbart als Markenzeichen baut er sich eine beachtliche Fanbase auf, die er vor allem mit seinem Gespür für eingängige Hooks und seiner energetischen Liveshow überzeugen kann, die ihm 2014 einen Slot als Vor-Act bei einem Konzert von Ssio in Berlin einbringt. Dessen Bruder und Manager ist sofort überzeugt und stellt den Kontakt zum damals noch inhaftierten Xatar her, der Plussi einige Monate später als ersten Act auf seinem frisch gegründeten Zweitlabel Kopfticker Records vorstellt.
Die gebotene Plattform weiß dieser zu nutzen und schrammt mit den Veröffentlichungen »Die Ernte« und »Kush Hunter« jeweils nur knapp an den Top Ten der Albumcharts vorbei. Trotzdem kommt es nach zwei Jahren Zusammenarbeit im Oktober 2017 zur Trennung. »Ich bin mega dankbar für alles, das hat mich sehr vorangebracht«, blickt Plusmacher positiv auf die Zeit zurück, »doch nach ‚Kush Hunter‘ habe ich gemerkt, dass ich lieber mein eigenes Ding machen möchte. Und da war ein eigenes Label die logische Konsequenz.« Nur einen Monat später schließt Xatar Kopfticker Records komplett und ersetzt es durch Push Music, was aber in keinem direkten Zusammenhang zum Weggang von Plusmacher zu stehen scheint, der seine Entscheidung bereits Anfang des Jahres fällt und von der Umstrukturierung erst aus den Medien erfährt.
Anstatt sich eine neue Plattenfirma zu suchen, sind Plusmachers Kernkompetenzen als Businessman mit Straßendiplom gefragt. Also gründet er sein eigenes Label Goldbreuler Records, auf dem neben ihm auch sein langjähriger Rap-Partner und Backup-MC Botanikker und ein noch nicht benannter alter Wegbegleiter aus OFDM-Tagen ihre Platten veröffentlichen sollen. In erster Linie will Plusmacher sich jedoch auf sich selbst konzentrieren: »Ich bin noch nicht am Zenit angekommen und möchte meine eigene Karriere voranbringen, um in Zukunft auch anderen Künstlern eine Plattform bieten zu können, wenn es menschlich passt.« Der Name des Labels ist nicht nur eine Referenz an seine ostdeutsche Heimat, sondern repräsentiert auch das Image und die Ziele: Gold und gutes Essen als Zeichen für Erfolg und Wohlstand.
Stellvertretend für den Endpunkt des ersten Kapitels und den Startschuss für neue Herausforderungen steht das Album »Hustlebach«. Dafür wagt sich Plusmacher erstmals in seiner Karriere an neue Klangexperimente abseits des klassischen Golden-Era-Sounds: »Wir wollten den Sound ein bisschen updaten. Man erkennt noch immer den Plusmacher, aber es ist moderner und eingängiger geworden.« Dass man ihn trotzdem nicht auf Autotune und Trap-Beats hört, liegt in der Verantwortlichkeit von Produzent The Breed, der bereits auf dem Vorgänger »Kush Hunter« federführend seine Finger im Spiel hatte und diesmal die komplette Produktion übernommen hat – ein Novum in der Karriere des Plusmachers: »Das war für mich eine geile Erfahrung. The Breed ist sehr musikalisch und hat in diese Richtung produziert. Es sollte melodisch werden, aber nicht das, was gerade 90 Prozent der anderen machen. Wir haben ganz andere Stilmittel verwendet. Autotune hätte da nicht gepasst.« Gemeinsam entwickeln die beiden Musiker die Vision für die neue Platte. »Wir haben uns bei den Tracks mehr Gedanken gemacht und viel genauer produziert. Früher hatten wir vier bis fünf Songs als Singlekandidaten für ein Album. Jetzt hatten wir Probleme mit der Auswahl, weil wir am liebsten zu jedem Track ein Video gedreht hätten.« Konnte man »Kush Hunter« teilweise noch Stagnation vorwerfen, findet »Hustlebach« zurück zu alter Frische. »Beim neuen Album hört man heraus, dass wir uns viel mehr Zeit genommen haben und viel fokussierter gearbeitet wurde.«
Inhaltlich bleibt dennoch alles beim Alten, es dreht sich um die üblichen Themen zwischen zwielichtigen Geschäften am Block und der Jagd nach dem besten Kush. Nachdenklichere Themen wurden auf den vorherigen Alben nur am Rand angeschnitten und kommen auch diesmal kaum zur Sprache. Plusmacher fühlt sich mental noch nicht bereit für die persönlichen Geschichten: »Ich will echte Sachen schreiben. Es hat vor allem im letzten Jahr privat viel Stress gegeben, aber aktuell geht es mir wieder gut. Ich müsste mich jetzt wieder in ein Loch fallen lassen, um darüber zu schreiben, und das kann und möchte ich gerade nicht.« Statt seine Schwächen zu offenbaren, konzentriert sich Plusmacher lieber auf seine Stärken und versucht, diese auszubauen. Der Weg vom »Hustlebach« führt in die richtige Richtung.
Text: Julius Stabenow
Foto: Marcus Jacobi
Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #187. Aktuelle und ältere Ausgaben könnt ihr versandkostenfrei im Shop bestellen.