(Selfmade/ Groove Attack)
Wer hat denn ernsthaft geglaubt, dass Favorite gerade an diesem Punkt seiner immer noch erstaunlich jungen Rapper-Karriere schon sein offensichtlich unvermeidbares Ich-bin-erwachsen-Album machen würde? Richtig, niemand. Und tatsächlich hat sich grundsätzlich nichts geändert beim Essener Anarcho. Im ersten Song »Nirvana« stellt er auch direkt klar, warum das so ist und warum es auch nicht anders sein konnte: »Solch eine üble Welt, Typen wie ich überleben hier nicht, dafür Typen wie Fav«, heißt es da. Und: »Ich hatte die Wahl zwischen ‘Geh einsam sterben, wird eh keiner merken’ und ‘Fick die Welt und zwar die ganze Welt’.« Er hat sich also entschieden: »Zweitausend-Fav« heißt das Motto. Und nein, er erfindet das Rap-Rad nicht neu, sondern schlägt immer weiter in die bereits erfolgreich beackerte Kerbe zwischen Welthass, Selbstironie und Aufmüpfigkeit, wie vor allem plakativ humoristische Songs wie der »Diss« gegen Labelboss Slick One (»Obama«) oder der »Drunken Freestyle« belegen. Auch das bombastische »Pyramide« mit Label-Kollegah Kolle, das äußerst amüsante »All Around«, auf dem in geliebt-gewohnter Battle-Manier gegen so ziemlich alle anderen deutschen Rapper gewettert wird, oder die Kollabos mit Bass Sultan Hengzt, King Orgasmus One und den 257ers fallen in die Kategorie »typischer Favorite-Track«. Ob alle 16 Songs plus die acht Tracks der Bonus Edition wirklich zwangsläufig auf dieses Album mussten, darüber lässt sich sicher streiten; wie überhaupt über die Sinnhaftigkeit dieser »Mehr ist mehr«-Philosophie, die vor allem durch Amazon und iTunes forciert wird. Doch dass zumindest der wirtschaftliche Plan dahinter am Ende aufgeht, hat Selfmade hier ja einmal mehr beweisen. Zurück zum Wesentlichen, nämlich der Musik: Ja, der Selfmade-Mann reitet hier weitgehend auf altbewährten Themen herum und ja, nicht jeder Beat ist absolut geschmackssicher gepickt. Doch Fav ist und bleibt Fav – und das ist gut so. Trotzdem gibt es auch graduelle Veränderungen, deren Beobachtung wirklich Spaß macht: So ist »Christoph Alex« sein bisher musikalischstes Album geworden. Favorite singt viel und gerne, er schreibt komplette Songs anstatt bloßer 16er-Aneinanderreihungen und hat diesmal deutlicher als sonst versucht, dem Album einen roten Faden zu verleihen. Auch in emotionalen, traurigen Songs schafft er es, durch ironische Brüche die Stimmung zu halten. Textlich beeindruckend sind insbesondere die Tracks »Gottlos« und »Blind« geraten, die tatsächlich einen gereiften Künstler zeigen. Auch einen Song wie »Nirvana« hätte man dem einst als Aushilfs-Eminem gebrandmarkten Rapper vor drei Jahren noch nicht zugetraut. Oder lässt sich hier einfach erstmals dieser ominöse Christoph Alex blicken? Man weiß es nicht genau. Wer aber sein Album mit dem Satz »Ich hab gesagt, ich werde mich nicht ändern« beendet, trotz oder genau wegen dieses Umstandes mit einem straighten HipHop-Album in den Top 5 der deutschen Albumcharts landet und es überdies noch schafft, neue Seiten seiner Künstler-Persona zu zeigen, hat durchaus so einiges richtig gemacht.
Text: Sherin Kürten