Playboi Carti – Milly Rock & Magnolien // HipHope

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Playboi Carti flippt den eher herablassenden Spruch »Style over Substance« zu seinen Gunsten. Der Zwanzigjährige aus Atlanta gehört zusammen mit Lil Uzi Vert und Lil Yachty zu einer jungen Generation von Rappern, die mit einer wilden Mischung aus Kunstsensibilität, Avantgarde-Mode und Dirty-South-Erbe kokettieren. Und die Traditionalisten zetern, wie immer.

Während der Strahlemann Lil Yachty erst seit einigen Monaten rappt, ist Carti vergleichsweise lange im Game. Eigentlich war er schon lange vor den ­sogenannten Soundcloud-Rappern da, zu deren Initiatoren er gezählt wird. Als A$AP Rocky sein Durchbruch-Tape »Long.Live.A$AP« ins Netz schoss und im Handumdrehen die gesamte Rapästhetik für die nächsten Jahre beeinflusste, war Carti unter dem Namen Sir Cartier auf Bandcamp unterwegs. Im res­pektablen Alter von 15 Jahren brachte das ATLien 2012 sein Debüt-Mixtape »Young Mi$fit« heraus, das mit seinen dichten, dissonanten Beats und runtergepitchten Stimmen noch stark an den Batikrap des damals en voguen Odd-Future-Kollektivs erinnerte. Von seinem exemplarischen Murmeln oder den exzessiv benutzten Adlibs, die ihn später auszeichnen werden, noch keine Spur. 2014 lernte er durch einen Freund den Awful-Records-Rapper und Produzent Ethereal kennen, der ihn anschließend unter seine Fittiche nahm und ihm Beats baute.

In dieser Zeit tauschte er Tube-Socks gegen Raf-Simons-Garderobe und mutierte zu Playboi Carti – ein nihilistischer Spätadoleszent mit Hang zu teuren Klamotten und Selbstzerstörung. Zusammen nahmen sie »Broke Boi« auf, das auf Soundcloud für Klickfurore sorgte. Dessen lasche Synthies, die Bass-Einschübe und besonders die Tourette-Adlibs trafen die Jugend mitten ins Herz und lieferten den idealen Hintergrund-Soundtrack für den Besuch bei Hypebeast. Der Ruhm ließ nicht lange auf sich warten, und Carti galt plötzlich als Mitbegründer, wenn nicht sogar als Pionier des Neologismus »Soundcloud-Rap«. Plötzlich fand er sich nicht mehr im Umfeld der Weirdos von Awful Records, sondern beim mysteriösen A$AP-Mob-Label AWGE in New York wieder und galt somit als das nächste große Ding. Doch anders als sein bester Freund Lil Uzi Vert ist Carti keine Release-Maschine. Ganz Jay-Electronica-like vertröstete er über zwei Jahre hinweg seine Fans und hielt sie sporadisch mit einzelnen Tracks bei Laune. Zeitweise sah es sogar ganz so aus, als ob seine Murmel-Kollegen ihn meilenweit in den Schatten stellen, weil sie im Akkordtakt Mixtapes veröffentlichten. Doch Playboi Carti tickt anders, als man im Internetzeitalter von Rappern vielleicht vermuten würde. Im Gegensatz zu eigentlich allen MCs auf Soundcloud wartet er lieber ab und checkt die Lage. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass er sich weitgehend von Sozialen Netzwerken fernhält und Instagram und Twitter eher als Galerie nutzt denn als Ich-versaute Ausbeutung der eigenen Privatsphäre. Ganz auf einer Linie mit seinem neuen großen Bruder A$AP Rocky steht für ihn seine Kunst an erster Stelle. Und seine Geduld zahlt sich aus, auch wenn Cartis wilde Adlibs vielleicht das Gegenteil suggerieren. Das selbstbetitelte Debüt erschien endlich im April 2017 und bestach durch Cartis – wie immer – wunderschönes Gebrabbel auf melancholischen, aber nichtsdestoweniger klatschenden Beats, und bringt wahrscheinlich auch jetzt in dieser Sekunde coole Kids beim Supreme-Shoppen zum Viben.

Text: Lukas Klemp
Foto: Gunnar Stahl

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #181. Hier versandkostenfrei nachbestellen.

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