Eines kann man »Lang lebe die Gang«, dem Lena-Feature-Song von Genetikk, der gestern Premiere feierte, sicher nicht absprechen: der Promo-Effekt für die anlaufende Netflix-Serie »The Defenders« hat beispielhaft funktioniert. Denn augenscheinlich ist es im Jahr 2017 hierzulande immer noch ein Aufreger unter Echthaltern wie Facebook-Kritikern, wenn HipHop-Künstler unter der Flagge der Authentizität mit Pop-Sternchen fusionieren.
Die Idee hinter derartigen Projekten hat oft zweierlei Absicht: zum einen möchte man auf der kreativen Seite die organische Härte des Raps auf Beats durch die Leichtigkeit von gesungenen Versen aufbrechen, um neue musikalische Ebenen ausloten – ein Unterfangen, das der reduzierte Piano-Trap mit sphärischen Ambient-Anleihen kinderleicht umsetzt. Zum anderen erreichen beide beteiligte Künstler innerhalb solcher Kollabos im Idealfall die Zielgruppe des anderen und können somit ihre Hörerreichweite vergrößern. Ein Modell, das der Musikjournalist Nelson George als »Crossover«-Move bezeichnen würde und seit vielen Jahrzehnten gängige Praxis im US-Musikmarkt ist.
Lena gewinnt durch ihren gehauchten Hook-Beitrag auf »Lang leben die Gang« etwa jenen Funken Credibility, den ihr die einstige ESC-Teilnahme verwehrte – gerade unter dem Gesichtspunkt, dass es sich hier um ihre erste Veröffentlichung in deutscher Sprache handelt und somit einen sehr eleganten Image-Wandel einleitet. Das Risiko ist für Genetikk hier allerdings höher, da sich Rap-Fans traditionell sehr intensiv mit der Qualität und Bedeutung von den Wahrnehmungsinhalten beschäftigen – »don’t talk the talk, if you can’t walk the walk«, rief schon Inspectah Deck 1993 auf »Da Mysteriy of Chessboxin’«. Inwiefern »Lang lebe die Gang« neben dem erwünschten Marketing-Aspekt der Rap-Kombo aus dem Saarland gut tut, müssen Anhänger wie Analysten selbst entscheiden. Lena ist allerdings immer noch nicht die deutsche Taylor Swift.