Mit seinem Trademark-Sound aus plastischen Synthie-Arrangements und lockerem Drumplay prägte Swizz Beatz das musikalische Gesicht von HipHop zu Beginn des Jahrtausends wie wenige seiner Generation. Mögen etwaige Klatschblätter den Producer und Rapper oftmals »nur« als Ehemann von Alicia Keys herabwerten, steht Kasseem Dean durch den stets elegantem Spagat zwischen beinharten Street-Rap-Produktionen für das Ruff Ryders-Camp und tanzflächen-orientiertem Großraumdisko-Approach für u.a. Chris Brown fast beispielhaft für die Jiggy-Ära. Seine jüngster Hit (»Famous« auf Kanyes ikonischem »TLOP«) zeugt zudem, dass man auch mit 38 Jahren und einer über zwanzigjährigen Laufbahn im HipHop-Spiel auf Augenhöhe mit dem Zeitgeist mitmischen kann. Für uns setzte sich Swizz Beatz ausnahmsweise einmal nicht an seine, sondern fremde Tracks, um sie auf Herz, Nieren, Kick und Snare zu prüfen.
Haiyti
Italiano (2017)
Das ist Hayiti, eine experimentelle Straßenrapperin aus Hamburg, die nebenbei Kunst studiert.
(nickt) Ich verstehe zwar kein einziges Wort, aber der Vibe ist gut. (macht Adlibs bei der zweiten Hook)
Asadjohn, der Producer, hat mir erzählt, dass du ihn stark beeinflusst hast.
Wow, es ist natürlich ein Kompliment, wenn sich junge Leute an mir orientieren. Wobei dieser Beat hier eher nach seinem Style klingt als nach etwas von mir. Das sind ja eher Trap-Drums, solche Pattern programmiere ich eigentlich nicht. Mir gefallen aber die Melodien, das ist sehr catchy. Sie passt auch perfekt auf den Beat – der Song ist wirklich gut produziert. Ich finde es auch spannend, dass sie Kunst studiert und trotzdem diese Street-Musik macht. Da ich auch aus der Hood komme und mich mit »No Comissions« für Kunstprojekte einsetze, haben wir da etwas gemeinsam.
Kommst du dir mit deinem Backround nicht vor wie ein Außerirdischer inmitten dieser Kunstschickeria?
Nein, weil ich diese Leute nicht als fancy betrachte. Ich sehe sie als Künstler an – ich bin schließlich auch einer. Deswegen heißt es ja auch »No Comissions«, weil wir jeden willkommen heißen, seien es Leute von den Streets; Leute, die schon bekannt sind oder Newcomer – jeder ist eingeladen. Wenn man Kunst macht, geht es nicht nur darum, die Elite zu erreichen. Auf unseren Partys darf jeder vorbeischauen, Kunst ist für jeden da. Und Berlin ist ein perfekter Standort, um diese Freiheit auszudrücken. Die Leute hier haben viel zu sagen – seien es Musiker, Modeleute oder Künstler. Berlin ist einer der führenden Orte in der Welt für kreatives Denken. Das liegt daran, dass Künstler hier mehr gefördert werden als woanders und zum Beispiel preiswert Ateliers mieten können. Leider verändert sich auch das langsam, aber es ist immer noch akzeptabel im Vergleich zu allen anderen Städten.
Bushido feat. Swizz Beatz
Motherfucker (2011)
(lacht) Das habe ich schon eine ganze Weile nicht mehr gehört, krass! (hört eine Weile zu) Oh man, ich war zu der Zeit echt ein bisschen anders drauf als heute. Warum fluche ich so viel? (lacht) Aber ich erinnere mich an die Session: Es war ziemlich spät, als wir aufgenommen haben [Bushido nahm den Song 2011 bei Swizz Beatz in dessen New Yorker Studio auf; Anmerk. d. Verf.]. Aber es war cool mit den Jungs. Du weißt ja, wie das läuft: man jammt ein bisschen herum, genehmigt sich ein paar Drinks und vibet im Studio. So klingt der Track ja auch. (nickt mit) Was macht Bushido eigentlich?
Er hat vor Kurzem sein zwölftes Album veröffentlicht, das wieder mal auf Platz 1 der Albumcharts eingestiegen ist. Er ist seit Langem der kommerziell erfolgreichste Rapper in Deutschland.
Wow, das ist schön zu hören! Er wohnt hier in Berlin, oder? Ich sollte mich mal bei ihm melden. Aber ich arbeite einfach zu viel. Weißt du, ich habe noch nicht mal richtig Party machen können. Man hört ja immer, dass das hier besonders gut geht, die Leute auch mal drei Tage am Stück im Club bleiben und so verrückte Sachen. Naja, ich habe woanders auch schon die eine oder andere krasse Party gefeiert. (lacht)
Lil Yachty feat. Migos
Peek-A-Boo (2017)
Das kenne ich natürlich! Mein Sohn hat mir das gezeigt. Er und Yachty kennen sich gut. Ich suche aber auch immer nach neuer Musik, schließlich komme ich aus dem DJing. Das Diggen ist einfach in mir drin. Yachty, Lil Uzi und all diese neuen Cats habe ich aber erst durch meinen Sohn kennengelernt, noch bevor sie so berühmt geworden sind. Ich war vor Kurzem sogar mit Yachty und Pharrell im Studio. Viele Leute aus meiner Generation haten Yachtys Musik, das hat mich neugierig gemacht. Ich sage denen immer: »Don’t hate on the kids! Jeder darf sich seine Ausdrucksmittel suchen und sich verwirklichen.« Ich dachte bei Yachty zunächst auch nur, dass es anders ist, war aber relativ unvoreingenommen und dachte nicht gleich: »Oh, das ist ja wack!« Ich hab es mir angehört, um es zu verstehen – that’s it. Als ich ins Game kam, war ich genauso alt wie Yachty jetzt und die Leute haben mich auch gehatet, weißt du? (lacht) Das ist der erste Reflex, wenn die Leute etwas nicht sofort einordnen können oder es ihnen fremd ist. Die neuen Kids haben ihren Weg gefunden, etwas zu sagen, nennt es ruhig »Mumble Rap«. Scheißegal, ob du das verstehst oder nicht. Das ist in der Kunst doch genauso: Manche Bilder verstehst du sofort, andere nicht. Aber deswegen musst du es doch nicht gleich haten. Aber HipHop-Fans sind eben leidenschaftlich. (lacht)
DMX
Ruff Ryders Anthem (1998)
(winkt nach 2 Sekunden ab) Das habe ich ja noch nie gehört! (lacht)
Du hast den Beat damals in Atlanta produziert, wo Lil Yachty und Migos herkommen.
Ja, aber als ich diesen Beat gemacht habe, gab es solche Leute in Atlanta noch nicht. Ich habe mich damals zwischen zwei Welten bewegt: Einerseits hatte ich immer noch viel Ärger am Hals, habe viel Scheiße gebaut und versucht, da rauszukommen. Andererseits war ich im Begriff, mit meiner Musik erfolgreich zu werden. New York und Atlanta waren damals wie Himmel und Hölle für mich. Aber zu »Ruff Ryders Anthem« wurde ich durch die Marschumzüge inspiriert – all diese Chants und diese pompösen Instrumente. Ich wollte diesen Sound nach New York holen. DMX wollte den Beat aber erst nicht benutzen. Er fand ihn scheiße und meinte, er würde nach Rock’n’Roll klingen – das war halt kein typischer New-York-Beat der damaligen Zeit. Aber er hat sich dann doch dafür entschieden – und mit diesem Song seine Karriere gestartet.
Mobb Deep
Shook Ones Pt. II (1995)
(rappt die ersten Zeilen mit) Ich habe die Jungs vor sehr vielen Jahren das erste Mal getroffen. Wir haben damals zusammen mit Mobb Deep eine Show im Tunnel gespielt. [legendärer New Yorker Nachtclub, der vor allem in den 1990er in HipHop- und House-Kreisen beliebt war. Er wurde 2001 geschlossen.; Anmerk. d. Verf] Das war schlimm, eine der brutalsten Nächte, die ich dort je erlebt habe. Es gab dort immer viele Schlägereien oder Messerstecherein, aber es war so etwas wie unser Zuhause – obwohl wir aus der Bronx kamen und Mobb Deep aus Queens. Schon damals hat Prodigy zu mir gesagt, dass wir unbedingt mal etwas zusammen machen müssen. Danach habe ich ihn noch sehr oft getroffen, aber es hat sich einfach nie ergeben. Havoc war ja auch mit ihm unterwegs. Und Alchemist. Er hatte also immer seine Produzenten und daher habe ich nie die Notwendigkeit gesehen, unbedingt zusammen arbeiten zu müssen. Wir hatten aber immer Kontakt. Das Letzte, was ich von ihm bekommen habe, war eine Privatmessage zu meinem Beat-Battle gegen Just Blaze – das war wirklich erst vor Kurzem. Er hat es gefeiert und gleich vorgeschlagen, dass auch mal Havoc und Alchemist gegeneinander antreten müssten. Ich finde, sie sollten das jetzt wirklich machen – in seinem Gedenken. Rest in Peace, King Prodigy!