Du bist tief mit der Berliner Graffiti-Szene verwurzelt. Wie viel Graffiti steckt in deinem Rap?
Graffiti hat mich sozialisiert. Noch heute besteht mein Freundeskreis vorwiegend aus Szene-Leuten, ich häng nicht mit Menschen aus der Rap-Welt ab. Ich hab damit nichts zu tun, gehe nicht nach Kreuzberg auf Partys, ich häng hier in meinem Kiez, auf unseren eigenen Partys im Wedding. Ich hab meine Kneipen hier – mehr brauch ich nicht. Ich will mich nicht als der Rapper präsentieren, der für die Graffiti-Leute steht, aber das ergibt sich vielleicht automatisch, weil ich damit so tief verwurzelt bin. Es gibt keinen Berliner Rapper, der das Writing so intensiv betrieben hat wie ich.
Vor einigen Wochen bin ich auf die Kampagne deines Freundes Matti Cordewinus gestoßen, der dich und zwei Freunde auf eurer Osteuropa-Tour begleitet und einen Film daraus gemacht hat. Graffiti bildet zwar den Rahmen um »Grenzgebiet«, im Film geht es allerdings um mehr.
Matti hat den Fokus sehr auf das Writing gelegt. Eigentlich hatten wir geplant, dass es im Film gar nicht so präsent ist, weil es darum geht, wie wir da zu dritt mit dem Auto durch Osteuropa und über den Balkan düsen. Er hat eine ähnliche Tour schon vor ein paar Jahren mit mir gemacht und meinte diesmal, dass er das dokumentieren möchte. Der Film ist eine Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm. Es gab kein Drehbuch. Matti hat einen unfassbaren Job gemacht, hat den ganzen Film alleine gedreht – unter Extrembedingungen.
Nächstes Jahr startet deine eigene Tour. Wie wichtig sind dir Live-Shows?
Superwichtig. Live ist schon das Geilste. Dieses Jahr, als die Platte noch nicht draußen war, hat mir das gefehlt. Wenn sowohl ich als auch das Publikum richtig Bock haben, dann kann ich was Außergewöhnliches auf der Bühne machen. Ich halte mich für ’nen sehr guten Live-Rapper. Ich hab dieses Jahr in Stuttgart gespielt, im Freund & Kupferstecher. Und das Ding war todeskrass, Alter. Vor allem ich – in Stuttgart! Es war so krass heftig. Unsere Mucke ist zwar nicht so ne Trap-Mucke, wo alle immer rumspringen – also, bei uns springen die auch rum, aber vom Rhythmus her ist das ja was anderes.
Wie stehst du zur soundtechnischen Entwicklung von HipHop der letzten Jahre?
Ich finds überhaupt nicht schlimm, dass es momentan so poppig ist. Rap ist inzwischen Mainstream. Mit dem ganzen Dancehall und Trap kannste mich aber jagen.
»Was mich an der ganzen Gentrifizierung, dem Hipstertum und der musikalischen Entwicklung stört, ist die fehlende Authentizität der Menschen.«
Gibt es aktuell einen Künstler, den du in dieser Hinsicht interessant findest?
Ich find Yung Hurn ganz cool. Ich hab mit ihm bis jetzt nur zweimal telefoniert. Einmal hat er mir nen kompletten Song ins Telefon gefreestylet, richtig lustig. Und wir haben uns dann einmal übers Telefon gebattlet. (lacht) Scheiß auch mal auf dieses ganze Oldschool-Gehabe. Man muss sagen: Die meiste Innovation kommt nicht von den Boombap-, sondern von den Mainstream-Rappern. Das heißt im Umkehrschluss jedoch nicht, dass ich das alles feiere. Die Entwicklung ist schon auch problematisch.
Inwiefern?
Ich bin kein Fan von dieser bedingungslosen Liebe zur westlichen Welt. Für mich ist Trap-Musik wie Donald Trump: ein Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft. Es wird immer oberflächlicher, schnelllebiger – was auch am digitalen Zeitalter liegt –, selbstdarstellerischer und kapitalistischer. Damit kann ich mich nicht identifizieren. Meine Eltern sind aus dem Osten, vielleicht hat es damit was zu tun. Ich find es auch völlig bescheuert, dass jetzt alle von irgendwelchen Klamottenmarken rappen. Die sollten sich mal mehr Modetrends aus Russland abgucken.
Gibt es für dich Parallelen zwischen dieser Entwicklung und dem Gentrifizierungsprozess in Berlin?
Dieser Begriff »Hipster« hat natürlich was damit zu tun. Das ist einfach was, auf das ich gar nicht klarkomme. Ich könnte niemals in Neukölln leben. Es gibt Leute, die haben ein Problem mit Ausländern – ich habe ein Problem mit diesen ganzen Hipstern. Es ist ja das gleiche Konzept: Oberflächlichkeit und sich mit irgendwas brüsten, ohne dass man etwas kann. Ich kann mich gegen diesen Hass gar nicht wehren; das ist etwas, das in mir drinsitzt. Das ist nicht meine Welt. Die sollen alle ihr Ding machen, aber wir sind der Gegenpol. Was wir im Norden abziehen, ist Untergrund.
Bekommst du die Gentrifizierung hier im Wedding mit?
Am Freitag hat sich meine neue Nachbarin, die unter mir wohnt, vorgestellt. Die hat geklingelt und meinte: »Hi, ich bin die Frauke. Lieber wär ich ja mit Muffins hochgekommen, das holen wir dann noch mal nach. Wir sind ja eigentlich auch cool, aber die Bässe sind ein bisschen laut, gell?« Ich bin vor fast zehn Jahren in meine Wohnung gezogen, da hab ich 500 Euro warm gezahlt. Die unter mir zahlen jetzt 1100 warm. Mein Haus ist ausgetauscht. Es gibt noch zwei Parteien, die schon ewig da wohnen. Alle anderen sind neu. Gott sei Dank ist Wedding vom Straßenbild des Prenzlauer Bergs aber noch weit entfernt. Allein die Bevölkerungsstruktur ist hier ’ne ganz andere. Ich war heute im jüdischen Krankenhaus an der Osloer Straße. Alter, was da drinne los war! Das ist Unterschicht deluxe. Wedding ist noch rough.
Die Thematik rutscht auch immer wieder in deine Texte.
Das ist halt etwas, das mich bewegt. Sagen wir’s so: Was mich an der ganzen Gentrifizierung, dem Hipstertum und der musikalischen Entwicklung stört, ist die fehlende Authentizität der Menschen. Nicht die der Künstler, die haben ihre Eigenarten und sind ja oft auch Kunstfiguren. Aber ich bin aus dem Proletariat und hänge lieber mit dem einfachen Volk ab. Da fühl ich mich wohl. Deswegen bin ich auch so gerne in Kneipen, wo das alles nicht so präsent ist.
Dann kannst du dich ja auf den Winter als perfekte Kneipensaison freuen, oder?
Meine Kneipensaison ist immer.
Der Moment, wenn ein zugezogener sich über zugezogene aufregt.