Nas & Damian Marley – Distant Relatives // Review

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(Def Jam/Universal)

Wertung: Viereinhalb Kronen

Zwei Künstler, die das jeweilige Genre in den letzten 15 Jahren so geprägt haben wie kaum ein anderer ihrer Zunft, finden sich zusammen, um eine Kollabo-LP zu veröffentlichen. Da kann einem im Vorfeld schon mal schwindlig werden: Queensbridge und Tuff Gong, “Illmatic” und “Jamrock”. Den Kontinent Afrika in ein positives Licht rücken, sollte für das Album als übergreifendes Thema dienen. Studios wurden gemietet, ein eigener Dokumentarfilm gedreht, eine Stiftung gegründet und Podiumsdiskussionen mit Lehrmeistern wie Rakim, Big Youth und Kool Herc einberufen. Kurzum: Da sollte etwas Großes kommen, keine bloße Ansammlung von Punchlines und “Burn Babylon”-Phrasen. Damians Beats ermöglichen es Nas, ungewohnte Flows und Patterns auszupacken, und auch Junior Gong zeigt, dass er ein äußerst versierter Vocalist mit extrem wandelbarer Stimme ist. Doch am Ende sind es vor allem die Beats, die dieses Album so herausragend machen. Damian und sein Bruder Stephen produzierten den Hauptteil der Tracks in Zusammenarbeit mit afrikanischen Musikern und ließen sich vom Sound des letzten K’naan-Albums “Troubadour” inspirieren. Und so ist auf “Distant Relatives” vor allem jede Menge potenzielles Live-Material zu finden, das bereits die Meere aus Feuerzeugen und Handydisplays auf den Festivals antizipiert. Auch das Releasedate des Albums wurde zum Beginn der Fußball-WM in Südafrika klug gewählt, da ohnehin gerade jeder mit Fernsehanschluss oder Weltempfänger gen schwarzer Kontinent blickt. Die Tracklist liest sich auf Anhieb zwar nach Weltmusikfestival und Sachkundelehrerin mit therapeutischer Vorausbildung im ZDF-Fernsehgarten, doch hervorragende Tracks wie “Friends” oder “As We Enter” klingen wie eine Reinkarnation der Fugees aus der “The Score”-Ära. Nas und Damian haben auf mehreren Ebenen ein wegweisendes Album abgeliefert: zwei mehr als etablierte Künstler, die sich für eine gemeinsame Sache einsetzen, ihre Kräfte bündeln und neue Wege beschreiten. Eine Platte, die einerseits die Arbeit von Langston Hughes, William Du Bois, Kwame Nkrumah, Frantz Fannon, Fela Kuti und Dr. King aufgreift, auf der anderen Seite aber auch die ganze Welt anspricht. Allein die Tatsache, dass der überzeugte Five Percenter Nas, der in der Vergangenheit keinen Zweifel daran ließ, für die Kinder Abrahams wenig übrig zu haben, hier Shoutouts an Israel gibt, zeigt den Willen zur Veränderung und zur Vorwärtsorientierung. Dass man hin und wieder bei Songs wie “His Own Words” an der Kitschgrenze entlangschrammt, bleibt nicht aus – dennoch ein wichtiges Album sowohl für HipHop, der sich trotz gesellschaftlicher Akzeptanz um Sinn und Verstand feiert, als auch für Reggae, der im LSVD- und Amnesty International-Gewusel um sein Existenzrecht fürchtet.

Text: Ndilyo Nimindé

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