Als Cro-Double auf dem Echo // Feature

-

Cro_Live_JUICE

Zur diesjährigen Echo-Verleihung wünschten sich die Universal-Verantwortlichen nichts sehnlicher, als das neue Wunderkind der deutschen Musiklandschaft Cro dort begrüßen zu dürfen. Das bis dato in der Öffentlichkeit nur mit Pandamaske auftretende Klick-Wunder und sein Label Chimperator waren jedoch von der Vorstellung, sich noch ohne geldwerte Erfolge auf der Habenseite bei so einer Veranstaltung feiern zu lassen, nur mäßig begeistert. Als die Chimps mit der Idee an die JUICE herantraten, anstelle von Carlo einen Doppelgänger zum Echo zu schicken, war schnell klar: Das ist ein Job für den neuen Praktikanten. Wir haben ohnehin fast denselben Vornamen. Und es kann ja nicht so schwer sein, hinter der niedlichen Maske unerkannt zu bleiben.

17:00 Uhr Die Maskerade
Völlig unvorbereitet, aber mit großen Erwartungen, treffe ich die beiden Initiatoren der Aktion, Basti von Chimperator und Jan-Simon von Universal Publishing, am Schlesischen Tor. Von dort soll es zum Messegelände gehen. Wir checken die Garderobe: meine engste Jeans (die ruhig noch enger sein könnte), Cros Hoodie mit den Löchern für die Panda-Ohren, sein grüner Parka, sein Beanie. Und natürlich die berühmte Pandamaske. Nach ein paar Handy-Schnappschüssen folgt die Bestätigung: Meine Verkleidung wirkt verblüffend echt. Es liegt ein wenig Nervosität in der Luft, als wir im Taxi einmal quer durch die Hauptstadt fahren. Zum Glück sind die Berliner Taxifahrer einiges gewohnt.

17:45 Uhr Der Universal-Empfang
Lena Meyer-Landrut steigt zeitgleich aus ihrem Wagen und schaut kurz interessiert rüber. Ob sie wohl Cro hört? Wahrscheinlich ist sie einfach zu schüchtern, mich anzusprechen. Schade eigentlich. Sido beäugt mich da schon kritischer, obwohl er doch eigentlich am besten wissen müsste, wie es sich hinter einer Maske anfühlt. Jan-Simon rät mir, den Kontakt zu meiden. Sido soll von Cros Maskierung angeblich nicht so angetan sein. Macht er mir etwa Biting-Vorwürfe? In der ganzen Doppelgänger-Aktion steckt ohnehin mehr vom Geiste MF Dooms als von dem Jungen aus dem Block, finde ich.

Weitaus begeisterter zeigt sich die Masse geschäftstüchtiger Krawattenträger: Handshake hier, Schulterklopfer da, nicht mal voreilige Glückwünsche bleiben aus. Es wird deutlich, dass auch die Industrienasen den Hype um Cro verstanden und in »mir« den nächsten Superstar ausgemacht haben. Einer von ihnen begrüßt mich erregt und gesteht mir, wie sehr er sich doch über unsere Zusammenarbeit freue: »Rock am Ring geht klar. Und die Sache mit Drake: läuft.« Ich versuche, ihm mit möglichst wenig Worten verständlich zu machen, dass ich mich auch geehrt fühle. Auch wenn in meinen Worten eher Ahnungslosigkeit denn Euphorie mitschwingt. Muss ich mir jetzt die Namen all derer merken, die mir im Minutentakt vorgestellt werden? »Das war André Lieberberg«, raunt Basti, »der Inhaber einer der größten Konzertagenturen Europas.« Ach, gut zu wissen. Und ich bin wirklich Vorgruppe für Drake? Wahnsinn.

Am Ausgang steht Max Herre, der in engem Kontakt mit dem schwäbischen Chimperator-Imprint steht. Schon während der Begrüßung durchschaut er die Maskerade. »Ihr habt heute also den Carlo dabei?«, fragt er ironisch. Und gibt gleich noch wichtige Tipps, damit wir nicht auffliegen: »Da musst du aber schon ein bisschen schwäbeln heute abend.« Auch Denyo will kurz hallo sagen. Mach ich doch gerne. Dennoch bleibt die Devise für den Abend: Gespräche sind möglichst zu vermeiden. Falls Carlo seitdem der Ruf nachhängt, ein arroganter Panda zu sein: Das war nur ich, Carlos.

18:30 Uhr »Hi Kids, ich bin Carlos«
Wir steigen in den Bus in Richtung roter Teppich. Die Situation ist völlig absurd, wir kichern wie kleine Kinder, die einen Streich ausgeheckt haben. Bevor die Tür aufgeht der letzte Check: Die Maske sitzt, es kann also losgehen. Basti und Jan-Simon sollen mich vor Interview-Anfragen und anderen brenzligen Situationen bewahren, doch dazu kommt es vorerst gar nicht. Als wir den roten Teppich betreten und sich die Kameraleute vor mir aufbauen, erschallen nur vereinzelte Cro-Rufe. In der ersten Reihe befinden sich nur professionelle Autogrammjäger, die »Easy« offenbar noch nie gehört haben. Der Overkill bleibt aus. Ein paar Witzbolde nennen mich Sido. Als ich zum Signieren auf eine Gruppe wartender junger Fans zugehe, schauen die mich nur fragend an und stecken ihre Hefte wieder weg. Ich bin peinlich berührt und froh, mich hinter einer Maske verstecken zu können.

Also rein in die riesige Messehalle. In der Masse von Anzugträgern und übertrieben aufgestylten Frauen aller Altersklassen falle ich trotz Pandamaske kaum auf. Ein Mädchen zückt ihr Handy und fragt nach einem Foto. Ihren Eltern erklärt sie euphorisch, wer ich bin: »Das ist Cro, der macht soooo gute Musik, Papa.« Irgendwie müssen sich die knapp 400.000 Likes ja bemerkbar machen. Diverse A&Rs, Manager und sonstige wichtige Menschen wollen mit mir sprechen, alle sind ja soo überzeugt davon, dass das durch die Decke gehen wird. »Top 10 ist euch mit ‘Easy’ sicher. Und dass ihr die Single davor schon umsonst ins Internet geladen habt – genial, revolutionär«, zeigt sich ein anonymer A&R begeistert. Offenbar ist ein Großteil der Major-Industrie noch immer nicht im digitalen Zeitalter angekommen.

Sogar Basti ist schon vor dem eigentlichen Event müde von den vielen Respektsbekundungen. Wieso wir denn nicht bei ihnen unterschrieben hätten, warum wir uns nie zurückgemeldet hätten, so was wollen diese Leute von mir wissen. Aber ich hab doch nicht die leiseste Ahnung.

19.45 Uhr Die Echo-Verleihung
Die Preisverleihung selbst ist dann eher eine langatmige Selbstbeweihräucherung der Beletage der Musikindustrie denn eine spannende Award-Show. Und langsam wird es heiß unter der Maske. »Junger Mann, haben wir uns heute morgen bei mir im Büro getroffen?«, fragt mich eine ältere Frau zwei Reihen hinter mir. »Ja, das war ich«, entgegne ich ein weiteres Mal. Komische Frage. Wie viele Pandabären hat Universal denn gesignt?

Basti macht ein Foto von mir und schickt es Carlo, der es auf Facebook stellt. Innerhalb weniger Minuten klicken tausende Fans »gefällt mir«. Wenn die nur wüssten.

Kurz vor Ende der Show entscheiden Basti und ich, den Saal vorzeitig zu verlassen. Wir holen den Cro-Parka, die Frau an der Garderobe fragt, ob man mich kennen müsste, ob ich berühmt sei, warum ich eine Maske trage. Mir fällt nichts Gescheites ein: »Wahrscheinlich werden Sie bald von mir hören.« Zum Glück kommt mir ihre Kollegin zu Hilfe: »Ich kenne dich aber, meine Tochter ist ein Fan.« Auf der Toilette entledige ich mich meiner Verkleidung, mein Puls sinkt, ich werde wieder zu Carlos. Die Damen von der Garderobe schauen mir verwundert hinterher, sie bleiben jedoch die einzigen, die mich an diesem Abend als Carlo UND Carlos zu Gesicht bekommen. Basti wirkt sichtlich erleichtert, das Schlimmste ist überstanden.

Auf der Aftershow-Party errege ich ohne Maske weitaus weniger Aufsehen. Und inmitten all des Smalltalks und der oberflächlichen Nettigkeiten stelle ich fest, dass ich nicht der einzige bin, der sich heute abend als jemand anderes ausgegeben hat. So ein Panda-Leben kann ganz schön anstrengend sein, denke ich mir, als ich im Morgengrauen erschöpft ins Bett sinke. Meine 15 Minuten Ruhm dürfte ich damit wohl aufgebraucht haben.

1 Kommentar

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein