Als Rapfan älteren Semesters hat man seit einigen Jahren das gute Recht, sich in regelmäßigen Abständen der eigenen Sentimentalität hinzugeben. Schließlich feiert dieser Tage fast wöchentlich eine legendäre Scheibe aus der goldenen Ära des US-Rap ihr Zwangzigjähriges. Hierzulande sind die Jubiläen (noch) rarer gesät, aber auch in der deutschen Rap-Geschichte gibt es langsam aber sicher Gründe, die Korken knallen zu lassen. Ein Meilenstein des hiesigen HipHop, der nach zwei Jahrzehnten mit Sekt statt Selters begossen werden sollte, ist zweifelsohne der »Klasse von ’95«-Sampler. Ursprünglich erschienen am 27. März 1995 über MZEE Records, bot die Compilation damals aufstrebenden Crews wie den Stieber Twins, F.A.B. (Flowin Immo & Ferris MC), Main Concept, Die Coolen Säue und Der Tobi & Das Bo eine Plattform im Rampenlicht der damals noch überschaubaren Szene. Mit von der Partie war auch ein junger Rene El Khazraje alias MC Rene mit »MC MG«. Als Speerspitze der Neuen Reimgeneration schlug er gekonnt die Brücke zwischen den jungen Wilden und den alten Hasen der Szene.
Zwanzig Jahre später blickt der in Braunschweig aufgewachsene MC auf eine bewegte Karriere zurück, die ihren medialen Höhepunkt um die Jahrtausendwende erfuhr, als Rene als Moderator für den »Wordcup«-Nachfolger Mixery Raw Deluxe fungierte. In den vergangenen Jahren war es eher still um den Rapper geworden; stattdessen machte Rene als dauerzugreisender Stand-Up-Comedian und Buchautor von sich Reden. Seit einem knappen Jahr hat Rene jedoch wieder einen festen Wohnsitz, noch dazu erlebt er raptechnisch gerade seinen dritten Frühling. Dieser gipfelt am 6. März im Release seiner Kollabo-LP »Renessance« mit Carl Crinx. »Wir bringen auf der Platte einfach unsere Vorstellung von Rap zum Ausdruck mit einem einheitlichen Sound, der zwar musikalisch durchaus einen Retro-Vibe à la Pete Rock besitzt, textlich aber extrem gegenwärtig daherkommt. Dieser Bruch gefällt mir«, konstatiert Rene im Gespräch in JUICE #165. Selbiges gilt auch für die heutige JUICE Premiere »20 Jahr 95«: Um den Flavour der goldenen Ära adäquat zu rekreieren, flippt Ekos Stammproduzent Isy B das durch »Rump Shaker« legendär gewordene Saxofon-Sample aufs Neue. Und Rene spaziert gemütlich auf der Memory Lane entlang und zieht raptechnisch den Hut vor seinen Jugendidolen. Can it be that it was all so simple?