(Def Jam Recordings France)
Der Kaaris, den wir kannten, ist Geschichte. Das verrät bereits ein flüchtiger Blick auf das »Chicha-Freestyle«-Video, in dem die Einfamilienhaussiedlung im Sonnenschein das Bando mit Crack-Küche als Setting ersetzt. Und wer das noch als einmaligen Ausrutscher abtat, wird nun mit dem Album »Okou Gnakouri« eines Besseren belehrt. Auch wenn OG noch immer die Initialen bildet, so ist »Okou Gnakouri« doch zuallererst der bürgerliche Name von Boobas ehemaligem Partner in Rhyme. Nicht, dass sich Kaaris textlich nun persönlich enthüllen würde, ganz im Gegenteil: Mit »Nador« gibt es einen Track über Drogen, mit »Benz« einen über Autos, mit »Tchoin« einen über Bitches und mit »Boyz N the Hood« eine Hymne für die Homies. Abseits davon geschieht wenig. Apropos Homies: Nachdem Booba und Kaaris getrennte Wege gehen, hat Kaaris sich nun auch von Produzent Therapy verabschiedet. Als Ersatz holt er mit Gucci Mane dafür ein transatlantisches Feature ein – und bestreitet mit ihm so etwas wie die ATL-Version von »Lady Marmalade«. Doch es wäre falsch, die Kritik an diesem Album an seinen Texten aufzuzäumen, denn ehrlich gesagt hat auch vorher niemand deswegen Kaaris gehört. Nein, man hat Kaaris gehört, weil er auf wunderbar kreative Art und Weise den brutalsten aller französischen Drill-Flows beherrschte und in Zusammenarbeit mit Therapy einen unnachahmlichen Maschinengewehr-Salven-Sound entwickelte. Damit scheint es nun vorerst vorbei zu sein. Denn auf »Okou Gnakouri« versucht sich Kaaris vermehrt an Gesang, der vor allem durch Auto-Tune getragen wird. Passend dazu gibt es weichere Flows und melodiösere Beats. Die Experimentierfreudigkeit in allen Ehren, aber: Damit bleibt Kaaris weit hinter dem zurück, was auf diesem Gebiet in Frankreich bereits existiert – man denke an PNL oder auch Gradur, der den Stilwechsel schon 2015 auf »ShegueyVara 2« mit mehr Bravour vollzog. Kaaris emanzipiert sich mit »Okou Gnakouri« – von seinem musikalischen Image und von Ziehvater Booba. Was aber langfristig von dem rappenden Hünen bleibt, muss sich erst noch zeigen.
Text: Franziska Gromann