Erinnert sich hier noch jemand an die JUICE-Ausgabe 146 aus dem Oktober 2012? Darin wurde damals lobend der souveräne Auftritt zweier 16-jähriger Locals im Rahmen der Berlin Music Week erwähnt: »Zwei Hauptstadtbengel in Vans und Hoodies haben uns Industriemenschen mal wieder gezeigt, worum es im HipHop eigentlich geht: Rap ohne Bullshit«, hieß es im Editorial. Und weiter: »In zwei bis drei Jahren rasiert ihr den Markt.« Einer von beiden war der »atemlos auf Englisch reimende« MC CheeK.
2017 ist der mittlerweile zwanzig Jahre alte MC CheeK nun zusammen mit Produzent Al Majeed und der gemeinsamen Platte »Fellow Students« zurück in der JUICE. Vielleicht ist die Rapszene erst jetzt bereit für seine Musik. Hätte man vor knapp zehn Jahren noch mit den Augen gerollt, wenn man Musik aus Deutschland auf Englisch gehört hätte, sieht die Sache hier ganz anders aus: Zwar in Berlin geboren und aufgewachsen, ist es trotzdem die Weltsprache Englisch, die CheeK in seinem bilingualen Elternhaus zuerst lernt. Hinzu kommt, dass sein Stiefvater ein weltweit angesehener Vollblutmusiker und viel unterwegs ist. »Du kannst mittlerweile auf Englisch rappen, und die Leute merken gar nicht, dass du aus Deutschland bist. Alles ist international geworden, und ich mache das einfach instinktiv«, erzählt CheeK.
Auch der Boombap-Unterbau für seine persönlichen Erzählungen ergibt sich sehr natürlich und fast schon zufällig aus seinem Umfeld. In Charlottenburg und Wilmersdorf aufgewachsen, gibt es mit Lingual eine Crew auf seiner Schule, die sich komplett den Sample-Beats verschrieben hat. Auch bei Lingual orientieren sich die Parts mit ihrer größtenteils englischen Sprache an den Vorbildern aus Übersee. Von ihnen bekommt der junge CheeK überraschend die Chance, sich zu beweisen – und überzeugt von Anfang an. Plötzlich sind die alten Jazz- und Soul-Platten seines Vaters nicht mehr uncool, und mit Al Majeed hat er schnell einen Produzenten gefunden, der sich seiner annimmt.
In der Schule ist CheeK zwar kein Außenseiter, trotzdem geht ihm das ständige Ringen um Popularität, der Kampf um Anerkennung (und nicht zuletzt um Mädels, die »deinen Kopf ficken«) so sehr auf die Nerven, dass er sich »unfrei« fühlt. Erst in der Musik kann er sich davon komplett frei machen. Und genau darum geht es auf seinem aktuellen Release »Fellow Students«, das in den letzten zwei Jahren entstanden ist. Selbstbewusst präsentiert MC CheeK darauf eine »Zeitreise, die daran erinnert, wie es war«. Authentizität stehe dabei immer im Vordergrund, beschreibt er mit entspannter, ruhiger Stimme die Platte, während er immer mal wieder beiläufig ins Englische wechselt. Für aufgesetzte Leute ist kein Platz in seinem Mikrokosmos, daran besteht genauso wenig Zweifel wie an seinem Talent. Knappe fünf Jahre hat es gedauert, bis MC CheeK es das zweite Mal in die JUICE geschafft hat. Ganz so lang wird es bis zum nächsten Mal sicher nicht dauern, denn wie hieß es damals noch? »Vielleicht sollten mehr Künstler verstehen, dass Musik und vor allem Rap manchmal nicht mehr brauchen als Energie, Spaß, Hingabe und ein paar dicke Cojones.« Word!
Text: Arne Lehrke
Dieses Feature erschien in JUICE #179 (hier versandkostenfrei bestellen).